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Sack. Da zerrissen sie ihre Kleider, (das Zeichen der
größten Traurigkeit bei den alten Juden,) luden ein jeg¬
licher ihre Sacke wieder auf die Esel und zogen zur
Stadt zurück. Sie kam^n vor Joseph, und erzählten
ihm, wie ihr Vater den Benjamin liebe; wie er sterben
würde, wenn er jetzt anch diesen zweiien Sohn verlöre;
und wie die Schuld seines Todes auf ihre Hauprer fal¬
len müßte. Ach, wie könnten wir hinaufziehen zu un¬
serm Vater, wenn der Knabe nicht mit uns ist? Wir
könnten den Jammer nicht sehen, der unsers Varers
graues Haar in die Grube brachte! — Da konnte sich
Joseph nicht langer halten, er weinete laut und sprach:
Ich bin Joseph euer Bruder! also lebt mein Vater noch?
— Und die Brüder erschracken. Doch Joseph beruhig¬
te sie: Sorget nicht, als ob ich euch zürnte, daß ihr mich
hieher verkauftet; Gort hat mich vor euch hieher gesen¬
det in dies Land, um euch und vielem Volk durch mich
das Leben zu erretten: ihr gedachtet es böse mit mir zu
machen; aber Gott gedachte es gut zu machen. Gehet
hin und bringet mir meinen Vater, daß er und ihr alle
hier in diesem Lande wohnet. Und sie zogen hinauf und ^
hohleren ihren Vater, und wohneten in dem zwar sinn- vorChr.
pfigten, aber weidereichen fruchtbaren Lande Gosen, an
der nordöstlichen Gränze Aegyptens, nahe an der ober-
sten nördlichsten Spitze des rothen Meeres.
Doch Josephs Verdienste! wurden nach seinem To¬
de bald vergessen; die Israeliten waren als ein abgeson¬
dertes Hirtenvolk nie geliebt worden, und ihre starke
Vermehrung machte sie den übrigen Aegyptern furcht¬
bar. Man wollte sie daher zwingen, ihre herumziehen¬
de nomadische Lebensweise aufzugeben und sich veste
Städte zu erbauen: man zwang sie Sklavendienste zu
thun, und befahl endlich alle israelitischen Kinder männ¬
lichen Geschlechts gleich nach der Geburt zu töotcu.
Dietz