34 Erzählungen aus dem Leben zur Warnung 
Valentin hatte aus kindlicher Liebe eine große Last aus sich 
geladen. Mit Kummer erwachte er am Morgen, mit Sor¬ 
gen legte er sich Abends zur Ruhe. Er hatte nicht ein¬ 
mal so viel Geld, um Korn zur Aussaat zu kaufen, oder 
die Bestellung seines Ackers zu bezahlen. Zwar hatte ein 
Nachbar aus Mitleiden sich erboten, ihm einen Theil seines 
Ackers bis zur Besäuna zu bestellen; aber woher sollte der 
arme Valentin das Geld nehmen, um Saatkorn zu kaufen? 
Er sann hin und her. Zu borgen war ihm bedenklich, denn 
wovon sollte er wieder bezahlen, da die Schuldenlast schon 
so groß war? Vielleicht, dachte er endlich, findest du Vor¬ 
rath bei einem Hamster. Er suchte, und fand glücklich die 
Vorrathskammer eines Hamsters, und in derselben so viel 
Weizen, wie er bedurfte. Noch waren die Körner unver¬ 
sehrt und zum Keimen geschickt. Von einer schweren Sorge 
war nun doch der arme bekümmerte Valentin frei. Freudig 
verkündigte er seinen Fund dem Nachbar, der sogleich bereit 
war, ihm die Saat unterzueggen. Jetzt begab er sich auf 
seinen Acker, um die Saat auszustreuen. Er that es unter 
Thränen; denn wie traurig war noch immer seine Lage! 
„Was wird aus dir, aus deiner alten Mutter, deinen Brü¬ 
dern und Schwestern werden, dachte er bei sich selbst, wenn 
die Saat nicht gedeihen sollte! Vielleicht wäre eS besser, 
du dientest bei guten Leuten, als dass du ein Ackergut be? 
sitzest, dessen Schuldenlast dich zu Boden drückt." Auf ein¬ 
mal wurde er heiter, und fasste Muth; denn ihm fiel ein 
tröstlicher Denkspruch ein, den er in den Knabeniahren ge¬ 
lernt hatte. Dieser Spruch hieß: „Die mit Thränen 
säen, werden mit Freuden ernten;" oder mit an¬ 
dern Worten: Wer mit Sorgen und Kummer' eine Unter¬ 
nehmung anfangt, wird Freudenthränen weinen, wenn sie 
gelingt. Valentin fühlte sich getröstet und gestärkt, indem 
er dachte: auch meine Kummerthränen können ja durch 
Gottes Güte in Freudenthränen verwandelt werden, wenn 
die Ernte kommt; ich will das Beste hoffen, und redlich 
thun, was ich kann. Täglich dachte er an seinen Trost¬ 
spruch, und nun wurde er nicht wieder muthlos. Er hatte 
wirklich das Glück, eine sehr reiche Ernte zu machen, und 
bald half er sich wieder so weit, dass er ein Pferd an¬ 
schaffen konnte. Damit bearbeitete er den kleinen Acker, 
welcher noch unverschuldet war, und im Winter that er 
damit Fuhren für Lohn. Das eine Pferd brachte ihm so
	        
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