Poetische Erzählungen. 85
Hier wohnte der Zöllner mit Weib und Rind! —
„0 Zöllner, o Zöllner, entfleuch geschwind!“ —
Es dröhnt’ und dröhnte dumpf heran;
Laut heulten Sturm und Wog’ ums Haus.
Der Zöllner sprang zum Dach hinan .
Und blickt’ in den Tumult hinaus. —
„Barmherziger Himmel, erbarme dich!
„Verloren! Verloren! Wer rettet mich?“
Die Schollen rollten Schuss auf Schuss.
Von beiden Ufern, hier und dort;
Von beiden Ufern riss der Fluss
Die Pfeiler sammt den Bogen fort.
Der bebende Zöllner, mit Weib und Kind,
Er heulte noch lauter, als Sturm und Wind.
Die Schollen rollten, Stofs auf Stofs,
An beiden Enden, hier und dort;
Zerborsten und zertrümmert, schoss
Ein Pfeiler nach dem andern fort.
Bald nahte der Mitte der Umsturz sich.
„Barmherziger Himmel, erbarme dich I“
Hoch auf den fernen Ufern stand
Ein Schwarm von Gaffbrn gross und klein:
Und jeder schrie und rang die Hand,
Doch mochte Niemand Retter sein.
Der bebende Zöllner mit Weib und Kind
Durchheulte nach Rettung den Strom und Wind
Rasch galloppirt ein Graf hervor,
Auf hohem Ross, ein edler Graf.
Was hielt des Grafen Hand empor?
Ein Beutel war es, voll und straff:
„Zweihundert Pistolen sind zugesagt
„Dem, welcher die Rettung der Armen wagt I“
Und immer höher schwoll die Flut,
Und immer lauter schnob der Wind!
Und immer tiefer sank der Muth. —
„0 Retter! Retter! komm geschwind!“
Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborst und brach.
Laut krachten und stürzten die Bogen nach.