150. Des Schieferdeckers Reich.
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von ihrer Gemeinde in die umliegende Gegend gesendet,
für diese Verunglückten einige Beisteuer zu erbitten. Unter
andern kamen sie frühmorgens auf den Hof eines wohl¬
habenden Landmanns. Sie fanden ihn vor dem Stalle
und hörten, als sie sich ihm näherten, wie er dem Knecht
es ernstlich verwies, daß er die Stricke, woran die Ochsen
gespannt gewesen, über Nacht im Regen am Pfluge ge¬
lassen und nicht ins Trockne gebracht hatte. „O weh! der
Mann ist genau," sprach einer zum andern, „hier wird es
nicht viel geben." Nun wurde der Herr des Hofes die
Fremden gewahr, und indes er mit ihnen in sein Haus
ging, erzählten sie ihm ihr Unglück und brachten ihr Be¬
gehren an. Groß war ihre Verwunderung, als er ihnen
bald ein ansehnliches Geschenk an Geld gab und noch ver¬
sprach, eben so viel an Saatkorn der verunglückten Ge¬
meinde zu schicken. Ja, sie konnten in ihrer dankbaren
Rührung sich nicht enthalten, während des Frühstücks
ihrem Wohlthäter es zu gestehen, wie seine Mildthätigkeit
ihnen um so mehr unerwartet gewesen sei, da sie ihn wegen
des vorhin um einer Kleinigkeit willen dem Knechte gegebenen
Verweises für sehr genau gehalten hätten.
„Liebe Freunde," war seine Antwort, „eben dadurch,
daß ich das Meinige jederzeit zu rate hielt, kam ich in den
glücklichen Zustand, wohlthätig sein zu können." Wie man¬
cher schämt sich der Sparsamkeit, der bloß des Geizes sich
zu schämen glaubt! Und wie mancher schämt sich der
Wohlthätigkeit, weil er sie fälschlich für Verschwendung
hält! (Rochows Kmderfreund.)
150. Des Schieferdeckers Weich, f
Zwischen Himmel und Erde ist des Schieferdeckers
Reich. Tief "nten das lärmende Gewühl der Wanderer
der Erde, hoch oben die Wanderer des Himmels, die stillen
Wolken in ihrem großen Gange. Monden, Jahre, Jahr¬
zehnte lang hat es keine Bewohner als der krächzenden
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