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unter ihnen gehen über die westliche Grenze hinaus und eilen dem fernen
Rheine zu.
So bildet der erwähnte Gebirgszug die Wasserscheide zwischen den
Hauptflüssen Rhein und Weser. Weil er aus einer Felsart besteht, die meist
von rötlicher Farbe ist und wegen ihrer Armut an Erzen von den Gelehrten
als rot- und totliegendes Gestein bezeichnet wird, so hat er den Namen
Notlagergebirge bekommen. Mehr noch wird er das Rothaargebirge
genannt, von dem Worte har, welches hoch oder erhaben bedeutet. Der
Haarstrang hat von demselben Worte seinen Namen erhalten. — Das Volk in
der Umgegend hat jedoch sür die einzelnen Teile des Gebirges auch noch seine
besondere Bezeichnung.
Als den Anfang des Rotlagergebirges kann man sich die bedeutenden
Höhen bei dem Dorfe Lützel in der Nordostecke des Kreises Siegen denken.
Da liegt hart auf der Grenze des Kreises Wittgenstein der Ederkopf, nach
der Quelle der Eder so benannt, die hier in einer Höhe von 610 m entspringt.
Sie fließt zuerst nach Norden in den Kreis Wittgenstein und geht dann östlich
nicht weit von der Stadt Berleburg vorbei. Bis zu ihrem Ausflusse aus
Westfalen hat ihr Gefälle schon 250 m betragen. Nachdem sie zahllose Bäche
in sich aufgenommen hat, mündet sie selbst unweit Kassel in die Fulda.
Südlich von der Ederquelle liegen in geringer Entfernung von einander
der Sieg born und der Lahn hos. Aus jenem entspringt in einer Höhe von
600 in die Sieg, der Hauptfluß des Siegerlandes. Eine halbe Stunde ober¬
halb Siegen nimmt sie die Ferndorf auf; dann durchschneidet sie (nach
einem Gefälle von fast 200 rn) bei dem Dorfe Niederschelden die west¬
fälische Grenze und tritt in die Rheinprovinz ein, in welcher sie noch die Heller
und die Agger aufnimmt. Unterhalb Siegburg, der Stadt Bonn schräg
gegenüber, geht sie nach einem Laufe von 18 Meilen in den Rhein. — Aus
dem Keller des ebenfalls fast 600 m über dem Meere liegenden Lahnhofes
sprudelt die Lahn hervor, diechen entgegengesetzten Weg verfolgt. Sie wen¬
det sich nach Osten und durchfließt das südliche Hauptthal des Kreises Wittgen¬
stein. Nach einem kurzen Laufe, auf welchem sie jedoch schon 265 m herab¬
gestürzt ist, verläßt sie bei Niederlaasphe die Provinz Westfalen. In süd¬
licher Richtung geht sie an Marburg vorbei; bei der hessendarmstädt'schen
Universitätsstadt Gießen aber biegt sie sich nach Westen herum und geht
durch den zur Rheinprovinz gehörenden Kreis Wetzlar. Hier nimmt sie die
ganz in der Südspitze Westfalens entspringende Dill aus, tritt dann in
Nassau ein und geht zuletzt nach einem Laufe von fast 80 Meilen bei Nied er¬
lahn st ein in den Rhein. Gerade der Mündung gegenüber liegt die Burg
Stolzenfels, das wunderschöne königliche Lustschloß, und eine Stunde weiter
rheinabwärts Koblenz mit der Festung Ehren breitstem.
Wie sich vom Ederkopfe aus das Rothaargebirge nach Norden erstreckt,
so gehen von ihm auch hohe Gebirgszüge nach Süden und Westen aus, die
das ganze Siegerland umziehen und auch wieder zahlreiche Ausläufer in das
Innere dieses Kreises senden. Fast in der südöstlichen Ecke desselben liegt
die öde Berggegend, die man auf der Kaltelche nennt. Hier schließt sich
das Gebirge an, welches das ganze Land zwischen Sieg und Lahn bis zum
Rheine hin bedeckt und unter dem Namen: der Westerwald bekannt ist.
Gerade auf der Grenze gegen die Rheinprovinz erhebt sich der Höhen-
Seelbachskopf, einer der bedeutendsten Berge der Rheinprovinz. Der
höchste Punkt des ganzen Gebirges, der Salzburger Kopf, liegt in Nassau,
eine halbe Stunde von der Südspitze unserer Provinz entfernt.