Full text: Lesebuch für katholische Volksschulen

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363. Preußens Wiedergeburt. 
Der König Friedrich Wilhelm fand in dem schweren Un¬ 
glücke, welches ihn betroffen hatte, nur Trost in dem gläubigen 
Vertrauen auf Gott und in der Seelenstärke seiner edlen Ge¬ 
mahlin. Auch tüchtige Männer standen ihm mit Rat und That 
zur Seite. An die Spitze der Verwaltung trat der hochbegabte 
Freiherr von Stein. Durch diesen geschah es damals, daß die 
Bauern das Recht erhielten, sich Grundeigentum zu erwerben 
und als freie Männer zu besitzen. Die Erbunterthänigkeit, wo 
sie noch bestand, wurde aufgegeben. Den Städten gab er durch 
die Städte-Ordnung das Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu 
beraten und ihre Behörden selbst zu wählen. — Scharnhorst 
und Gneisenau arbeiteten an der Umgestaltung des Heerwesens. 
Von Scharnhost ging der Rat aus, daß jeder preußische Mann, 
wenn er einen gesunden und starken Körper habe, im Heere 
dienen solle. Man nannte das die allgemeine Wehrpflichtigkeit. 
Wer einige Jahre gedient hatte, wurde in seine Heimat entlassen 
und trieb das Geschäft weiter, das er erlernt hatte. Aber wenn 
der König ihn rief, mußte er unter die Fahne eilen. Auch den 
Bürgerlichen sollten die Offizierstellen zugänglich sein. So wurde 
in einigen Jahren hinter dem Rücken des kleinen Heeres eine 
große, unsichtbare Armee geschaffen, die in den Befreiungskriegen 
so berühmt gewordene Landwehr. — An allen Bestrebungen, das 
Vaterland aus seiner Bedrückung wieder zu erheben, nahm die 
Königin Luise mit ganzer Seele anteil. Doch sie sollte den 
Morgenglanz der Freiheit nicht mehr schauen. Im Jahre 1810, 
mitten in der Nacht der äußersten Knechtschaft, hauchte die fromme 
Dulderin im tiefen Schmerze um Deutschlands Erniedrigung ihr 
Leben aus. Aber ihr hohes Vorbild, ihre warme vaterländische 
Gesinnung wirkte fort unter dem preußischen Volke. 
264. Gottes Strafgericht in Russland. 
Fast alle europäischen Staaten waren nach und nach 
von Napoleon abhängig geworden. Portugal und Spanien 
hatte er seinem Bruder Joseph, Holland seinem Bruder 
Louis, Neapel seinem Schwager Murat, das neu errichtete 
Königreich Westfalen seinem Bruder Hieronymus gegeben; 
der Papst war gefangen, der Kirchenstaat von den Fran¬ 
zosen besetzt; Österreich und Preussen waren durch grosse 
Länderverluste geschwächt. Napoleon stand auf dem Gipfel 
seiner Macht; aber seine Ländergier kannte keine Grenzen 
und bereitete ihm bald einen schmachvollen Untergang. In 
seinem Übermute wollte Napoleon auch Russland demütigen. 
Alle von ihm abhängenden Länder mussten Hülfstruppen 
stellen; auch Preussen war gezwungen, 20,000 Mann zu 
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