Full text: Geschichte der Griechen und Römer (Cursus 2)

86 
meter, im Frühling im Tempelbezirk zu Delphi. Hauptzweck 
war: außer den am Erndte- und Frühlingsfest gemeinsam dar¬ 
gebrachten großen Opfern Schutz des delphischen Orakels und 
seiner Schätze, und Leitung der pythischen Spiele. Zum 
Bundesrath sendete jeder Staat zwei Gesandtschaften (die Pyla- 
goren und Hieromnemonen). Die Berathungen waren öffentlich; 
die Abstimmung erfolgte zum Theil nach Curien, indem man bei 
der Zahl zwölf der ursprünglichen Mitglieder stehen blieb, und 
ihre 24 Stimmen als Collectivstimmen an mehrere stammver¬ 
wandte Staaten übertrug. Der alte Bundeseid war: »Keine der 
amphiktyonischen Städte je von Grund aus zu vertilgen; keiner 
weder im Frieden noch im Kriege das Wasser abzuschneiden; 
wenn aber einer der Verbündeten dies dennoch thäte, gemeinsam 
gegen ihn zu kämpfen und seine Orte zu vertilgen." Dazu kam 
dann nach der Vereinigung mit Delphi der Zusatz: »Wenn einer 
Begehren trägt nach dem, was im Heiligthum des delphischen 
Gottes ist, oder das Heiligthum plündert, so werden die Amphi- 
ktyonen dies mit Hand und Fuß und mit der Stimme und mit' 
allen ihren Kräften bestrafen." Dieser Eid, auf eine eherne Tafel 
gegraben, war an dem öffentlichen Versammlungsplatz der Am- 
phiktyonen aufgestellt. 
§.45. 
Dorismus. Jonismus. 
1) Eine weitere Folge der dorischen Wanderung ist die all- 
mählige Ausbildung der in den homerischen Gedichten nur erst 
in ihren sprachlichen Elementen und in wenigen Andeutungen 
erkennbaren Stammverschiedenheit des griechischen Volkes, insbe¬ 
sondere der beiden Hauptstämme, der Dorer und Ionier, mit 
eigenthümlichen Richtungen in den meisten Verhältnissen des 
Lebens. 
2) Die Dorer, einfach, ernst und strenge, hingen mit Vor¬ 
liebe an dem Alten und einmal Bestehenden. Beharrlichkeit und 
Kraft zeigte sich in ihrem ganzen Wesen; darum auch meist 
Aristokratie^, welche dem Staatsleben eine gewisse Stetigkeit und 
Einheit verleiht, bei ihnen angetroffen wird. Verderbliche Fehler 
dieses Geistesrichtung sind: hartnäckige Erstarrung in hergebrach¬ 
ten Formen, aus denen der Geist gewichen, Einseitigkeit in Auf- 
i) Jedoch ist dies nicht ein dauerndes Merkmal des Unterschiedes dorischer 
und ionischer Staaten, indem erstere oft, wie in Großgriechenland und in 
Sizilien, demokratisch werden. Selbst der spartanischen Berfassung liegt, 
wie überbaupt allen freien hellenischen Staaten, in gewissem Sinne ein 
demokratisches Prinzip zu Grunde, indem die Souveränität des Staates 
wesentlich in der Volksversammlung ruht.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.