Full text: Preußischer Kinderfreund

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Kaiser in einer offenen Kutsche an ihm vorbei. Der Knabe hielt ihn 
wohl für einen reichen Herrn, obgleich er nicht wusste, dass es der 
Kaiser fei, und dachte: Ich will's versuchen. „Gnädiger Herr", sagte 
er, „wollt ihr mir nicht einen Gulden schenken? Seid so barmherzig!" 
Der Kaiser dachte: Der fasft's kurz und denkt, wenn ich einen Gul¬ 
den auf einmal bekomme, so brauch' ich nicht sechzigmal um einen Kreu¬ 
zer zu betteln. „Thut's ein Zwanziger nicht auch?" fragt' ihn der 
Kaiser. Das Büblein sagte: Nein, und offenbarte ihm, wozu er des 
Geldes benöthigt wäre. Also gab ihm der Kaiser den Gulden und 
ließ sich genau von ihm beschreiben, wie seine Mutter heißt, und wo 
sie wohnt, und während das Büblein zum dritten Doktor springt, und 
die kranke Frau daheim betet, der liebe Gott wolle sie doch nicht verlassen, 
fährt der Kaiser zu ihrer Wohnung und verhüllt sich ein wenig in 
seinen Mantel, also dass man ihn nicht recht erkennen konnte, wer ihn 
nicht darum ansah. Als er aber zu der kranken Frau in das Stüb¬ 
chen kam, meint sie, es sei der Doktor und erzählt ihm ihren Umstand, 
und wie sie noch so arm dabei sei und sich nicht pflegen könne. Der 
Kaiser sagte: „Ich will euch denn jetzt ein Recept verschreiben", und 
sie sagte ihm, wo des Bübleins Schreibzeug wäre. Also schrieb er das 
Recept und belehrte die Frau, in welche Apotheke sie es schicken müsse, 
wenn das Kind heim komme, und legte es aus den Tisch. Als er 
aber kaum eine Minute fort war, kam der rechte Doktor auch. Die 
Frau verwunderte sich nicht wenig, als sie hörte, er fei auch der Dok¬ 
tor, und entschuldigte sich, es sei schon einer dagewesen und habe 
ihr Etwas verordnet, und sie habe nur auf ihr Büblein gewartet. 
Als aber der Doktor das Recept in die Hand nahm und sehen wollte, 
wer bei ihr gewesen, und was für einen Trank oder was für Pillen 
er ihr verordnet habe, erstaunte er auch nicht wenig und sagte zu ihr: 
„Frau, ihr seid einem guten Arzte in die Hände gefallen; denn er hat 
euch fünf und zwanzig Goldstücke verordnet, beim Zahlamte zu er¬ 
heben, und unten an steht Joseph, wenn ihr ihn kennt. Eine solche 
Arznei hätt' ich euch nicht verschreiben können". Da that die Frau 
einen Blick gegen den Himmel und konnte Nichts sagen vor Dank¬ 
barkeit und Rührung, und das Geld wurde hernach richtig und ohne 
Anstand von dem Zahlamte ausgezahlt, und der Doktor verordnete 
ihr einen Trank; und durch die gute Arznei und durch die gute Pflege, 
die sie sich jetzt verschaffen konnte, stand sie in wenig Tagen wieder 
auf gesunden Beinen. Also hat der Doktor die kranke Frau geheilt, 
und der Kaiser die arme. H.^i. 
149. Die Liu-rr im Walde. 
Gar wohlgemuth und guter Ding' zu Wald ein Knab' und Mägdlein 
ging. Der Tag war draußen heiß und schwül, der Wald hingegen frisch und 
kühl. Hier liefen sie die Kreuz und Quer und pflückten Erd^ und Heidelbeer. 
Bald ries der Bruder: „Schwester, hier, die schönsten Beeren stehn bei mir!"
	        
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