Full text: Das Vaterland (4 = 5. u. 6. Schulj)

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dessen Sinnesart beurteilte nun auch Varus den Armin, welcher ebenso 
freundlich als Flavius gegen den römischen Feldherrn that und oft von 
Varus zu Tische geladen ward. Armin ließ ihn beim Glauben, bis das 
Werk der Befreiung, das er heimlich im Herzen trug, zur Reife gediehen 
sei. Denn heimlich hatte er die Besten seines Stammes zusammen¬ 
berufen und mit ihnen in stiller Waldeinsamkeit Rat gepflogen. Alle 
erkannten, daß für die Deutschen nur darin Heil sei, wenn sie alle 
Römer, die im Lande saßen, wie böse Raubtiere auf einem einzigen 
Treibjagen erschlügen. Dazu lud er nun die benachbarten Brukterer 
und die Marsen und noch andere Stämme ein, und alle schlossen mit den 
Cheruskern eine Eidgenossenschaft auf Leben und Tod. Vorerst wollten 
sie aber die Römer durch erheuchelte Demut sicher machen, und wenn 
sich Römer bei ihnen zeigten, leisteten sie nicht den geringsten Widerstand. 
Indessen hatte Armin eine Jungfrau gesehen, die hieß Thusnelda. 
Keine andere im ganzen Cheruskerlande kam ihr gleich an Schönheit des 
Leibes und der Seele, und mit bitterem Schmerze sah auch sie die Er¬ 
niedrigung ihres Volks. Ihr Vater aber, Segest, hielt zu den Römern 
und hoffte durch ihren Beistand sich die Herrschaft über sein Volk zu 
erringen. Zu dieser Jungfrau trug Armin treue Liebe im Herzen, und 
treu und innig hing Thusnelda an ihm. So ging er denn zu Segest 
und freite um die Hand der Jungfrau, und als sie ihm verweigert ward, 
achtete er in seiner großen Liebe weder der alten Sitte, noch der Gefahr 
für seine Freiheit, wenn der Vater ihn ereilte. Er entführte Thusnelden 
und brachte sie heim als sein eheliches Weib. Dafür schwur ihm Segest 
ewige Rache, und er begann dieselbe damit, daß er den Varus vor 
Armin als einem Verräter warnte. Doch Segest predigte tauben Ohren; 
der römische Feldherr meinte, an allen den Verleumdungen sei bloß die 
Entführung der Thusnelda schuld, und überdies deuchte er sich klüger 
und verachtete den Rat eines „plumpen Deutschen." So schlug ihn 
Gott mit Blindheit. 
2. In seinem Sommerlager an der Weser saß Varus, als er die Kunde 
erhielt, ein deutscher Stamm an der Ems habe sich erhoben und alle 
Römer, die in seinen Marken wohnten, erschlagen. Also war es verab¬ 
redet worden unter den Eidgenossen. Denn Armin, die Seele des 
Bundes, hatte zuvor bedacht, daß Varus in solchem Falle nicht säumen 
würde, mit aller Macht ins Feld zu ziehen. Und so kam's auch. Der 
Römer beschloß, ohne Verzug aufzubrechen und Rache zu nehmen. Beim 
Abschiedsmahl im Lager waren Armin und Segest zu Gaste, und Segest 
warnte noch einmal. Doch Varus glaubte ihm abermals nicht und gebot 
vielmehr dem Armin, daß dieser den Heerbann der Deutschen aufbiete 
und sie als Bundesgenossen den Römern zuführe. Dann brach er 
stolzen Mutes mit drei erprobten Legionen auf und zog in die Berge 
an der Weser, in die Gegend, wo jetzt Herford und Salzufeln liegen. 
Rasch bot Armin den Heerbann auf, und freudig nahmen die Eidgenossen 
ihre Schwerter, um für die Freiheit zu kämpfen. Aus wohlbekannten 
kiirzeren Wegen führte Armin sie hinter den Römern her und fiel
	        
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