187
entgegengesetzt, in welcher sie sich vorher herzu gedrängt hatten. Die
Senkung des Wassers nennt man Ebbe.
Dieses wunderbare Schauspiel fesselt uns an dieser romantischen
Ufcrstelle. Warten wir die Wiedererhebung ab, so bemerken wir, daß Ebbe
und Fluth ohne Unterlaß nach 6 reichlichen Stunden mit einander ab¬
wechseln, kurz, das; in 24 Stunden 49 Minuten zweimal Ebbe und zwei¬
mal Fluth eintritt. Prüfen wir alle Einzelheiten des Vorganges, so setzt
uns der Umstand in noch größeres Erstaunen, daß die zwischen den Fluthen
liegende Zeitlücke auf das Genaueste mit der Bewegung des Mondes über¬
einstimmt. Von der ersten bis zur nächsten Fluth verstreichen 12 Stunden
24 V2 Minuten und von dieser zur folgenden wieder 12 Stunden 24 */2
Minuten, zusammen also 24 Stunden 49 Minuten. Eben so viel Zeit
braucht der Mond, um gerade wieder durch denselben Meridian oder Mit-
tagskreis zu gehen, durch welchen er beim Anfang der Erscheinung ging.
Wegen dieser Übereinstimmung schreibt man Ebbe und Fluth der An¬
ziehungskraft des Mondes zu.
Seemorgen.
Der Morgen frisch, die winde gut, die Sonne glüht so Helte,
und brausend zirht es durch die FUUH. wie wandern wir fo schnelle!
Die wogen stürzen stch heran; doch wie sie auch sich bäumen,
dem Schisi' stch werfen in die Dahn, in toller Mühe schäumen:
das Schiff voll froher Wanderlust zieht fort unaufgrhalten;
und mächtig wird von seiner Brust der wogcndrang gespalten.
Gewirkt von gold'ner Strahlenhand aus dem Grsprüh der wogen,
kommt ihm zur Seit' ein Irisband hrllstatternd nachgezogen.
So weit nach Land mein Auge schweift, seh' ich die Fluth stch dehnen,
dir uferlose; mich ergreift ein ungeduldig Sehnen,
das; ich so lang euch meiden must, Berg, wiese, Laub und Blüthe! —
Da lächelt seinen Morgcngrust rin Kind aus der Cajüte.
wo fremd die Luft, das Himmclslicht, im kalten Morgrnlärmr,
wie wohl thut Menschenangesicht mit seiner stillen Wärme!
von Stret, lenau.
6. Europa. Lage. Grenzen.
Jetzt zu ben größeren Theilen des Erdlandes! Keiner nimmt unsere
Aufmerksamkeit mehr in Anspruch, als derjenige, welchen wir selbst be¬
wohnen, Europa. Wie groß derselbe ist, weißt du bereits. Mittelst des
Blickes auf die Karte wirst du leicht auf die Fragen antworten können:
In welchen Zonen liegt Europa? Nach welchen Himmelsgegendm hin ist
es vom Meere umgeben und von welchen Meeren? Mit welchem Erdtheile
Hängt es zil Lande zusammen und in welcher Himmelsgegend? Von
welchem anderen Erdtheile ist es im S. mir durch eine schmale Meerenge
getrennt? Die größte Ausdehnung hat Europa vom Cap Vincent bis zur
Waigaczstraße 750 Meilen und vom Cap Matapan bis Nordcap 520 Mei¬
len, also von SW. nach NO. und von S. nach N. Seine eigenthümliche
Gestalt hat dieser Erdtheil dadurch erhalten, daß an vielen Stellen das