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139. TLe Wiege im Schilfe.
Der König über alle die flinken Gesellen, die in unzähliger Menge im
Schilfe der Teiche und Sümpfe wohnen, ist der Rohrsänger. Er ist so
lang wie eines Kindes Hand. Dort sitzt er auf einem schlanken Halme
und schaukelt sich. Aus dem Rücken ist er schwärzlich braun, am Halse weiß
und an dem Bauche gelblich. Über jedem Auge ist ein weißer Streifen. —
Jetzt fliegt er auf und hat in schnellem Schwünge mit seinem kurzen, spitzen
Schnabel eine Fliege weggeschnappt, jetzt eine Mücke, jetzt wiederum ein
Würmchen, das sich vorwitzig ans dem Schlamme des Ufers wagte. An den
biegsamen Schilshalmen klettert er hinauf, hinab, so flink als sei's auf ebener
gebaut. Immer neue Halme und Blättchen werden eingeflochten, bis die
Wand rundum ganz dicht ist. Außenhin kommen die gröberen, innen hinein
die feineren Bestandteile. Ganz zuinnerst wird das Nestchen mit Federn
ausgefüttert. Diese suchen beide Vöglein unverdrossen weit und breit zu¬
sammen, wo etwa ein anderer Vogel eine verloren hat. Ins fertige,
warme Nest legt dann das Weibchen die kleinen, buntgesprenkelten Eier,
es setzt sich darauf und brütet sie.
Wie geht's aber dem Vögelchen im Schilfe, wenn ein Gewittersturm
daherbraust? Die schwachen Halme des Rohres werden ja dann hin- und her¬
gepeitscht, daß sie mit Blatt und Blütenbüscheln das aufgeregte Wasser schlagen.
Wird dann das Nestchen nicht zerrissen? Und werden die Eier samt dem Tier¬
chen nicht herausgeschleudert? — Nein, denn der Rohrsänger befestigt sein
Nest nur an recht zähen Halmen. Diese geben nach, aber sie reißen nicht. Er
Der Rohrsänger.
Erde. Nun sitzt er in einem
dichten Blütenbüschel wieder
still. Das Sonnenlicht glänzt
auf seinem zarten, glatten
Federkleide. Er singt ein
niedliches Liedchen, fein und
lieblich; das tönt durchs
Blattgelispel und durch das
Gesumm der Mücken. Ein
zweites Vöglein fliegt hinter
dichtem Gebüsche empor. Es
hörte den lockenden Gesang
und kommt herzu. Es hat
dieselbe Größe und dieselbe
Farbe; das ist sein Weibchen.
Die beiden spielen nun zu¬
sammen und schmausen da¬
zwischen. Sie suchen dürre
Blättchen und zähe Halme
und wickeln sie geschickt um
drei oder vier Stengel des
Schilfes. Es wird ein Nest