Full text: Dichtungen der neueren Zeit

102 I- Erster Zeitraum. D. Die Zeit von 1815—1830.' 
x2. Die schwäbische Dichter schule. 
1. „Wohin soll den Fuß ich lenken, ich, ein fremder Wandersmann? 
Daß ich eure Dichterschnle, gute Schwaben, finden kann?" 
2. Fremder Wanderer, o gerne will ich solches sagen dir: 
Geh' durch diese lichten Matten in das dunkle Waldrevier, 
3. Wo die Tanne steht, die hohe, die als Mast einst schifft durchs Meer, 
Wo von Zweig zu Zweig sich schwinget singend lust'ger Vögel Heer; 
4. Wo das Reh mit klaren Augen durch das dunkle Dickicht sieht, 
Und der Hirsch, der schlanke, setzet über Felsen von Granit. 
5. Trete dann aus Waldesdunkel, wo im goldnen Sonnenstrahl 
Grüßen Berge dich voll Reben, Neckars Blau im tiefen Thal; 
6. Wo, von Epheu grün umranket, manche Burg vom Felsen schaut. 
Stiller Dörfer bunte Menge rings sich friedlich angebaut; 
7. Wo ein goldnes Meer von Ähren durch die Ebnen wogt und wallt, 
Uber ihm in blauen Lüften Jubellied der Lerche schallt; 
8. Wo der Winzer und der Schnitter singt ein Lied durch Berg und Flur — 
Da ist schwäbischer Dichter Schule, und ihr Meister heißt Natur. 
3. Zwei Zarge. 
1. Zwei Särge einsam stehen 
In des alten Domes Hut, 
König Ottmar liegt in dem einen, 
In dem andern der Sänger ruht. 
2. Der König saß einst mächtig 
Hoch auf der Väter Thron, 
Ihm liegt das Schwert in der Rechten, 
Und auf dem Haupte die Krön'. 
3. Doch neben dem stolzen König 
Da liegt der Sänger traut, 
Man noch in seinen Händen 
Die fromme Harfe schaut. 
4. Die Burgen rings zerfallen, 
Schlachtruf tönt durch das Land, 
Das Schwert, das regt sich nimmer 
Da in des Königs Hand. 
5. Blüten und milde Lüfte 
Wehen das Thal entlang — 
Des Sängers Harfe tönet 
In ewigem Gesang. 
4. Sehnsucht nach dem Waide. 
1. Wär' ich nie aus euch gegangen, 
Wälder, hehr und wunderbar! 
Hieltet liebend mich umfangen 
Doch so lange, lange Jahr'! 
2. Wo in euren Dämmerungen 
Vogel sang und Silberquell, 
Ist auch manches Lied entsprungen- 
Meinem Busen, frisch und hell.
	        
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