Full text: Das Vaterland (4 = 5. u. 6. Schulj)

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und begrüßten ihn als Herzog. Dieser ließ dann das Aufgebot zur 
allgemeinen Bewaffnung, den Heerbann, ergehen. Von Hof zu Hof 
verkündete es der „Heerpfeil"; die Wehrmänner scharten sich, brachen 
auf und holten die Feldzeichen, die in den heiligen Hainen aufgehoben 
waren; auf Wagen folgten ihnen die Frauen mit den Kindern. 
Auf dem Schlachtfelde reihten sich die Männer eines Geschlechts, die 
Gemeinden, die Gaue aneinander, hinter den Kriegern standen die Frauen 
auf der Wagenburg. Der Angriff begann mit wildfreudigem Kriegs¬ 
geschrei und Gesang furchtbaren Ungestüms. Der Kern war das 
Fußvolk; die Kecksten davon mischten sich unter die Reiter, hängten 
sich an die Mähnen der Rosse und stürmten so, wie im Fluge, mit 
voran. Auch zu lebendigen Keilen zusammengedrängt, gingen sie gern 
in die Schlacht; da weihten sich die Vordersten dem Tode. Sonst 
verstanden sie in den ältesten Zeiten nichts von den feinen Listen der 
Kriegskunst; Angriff und Ringen, Mann gegen Mann, galt alles. 
Nicht die unwiderstehliche Wut beim Angriff allein — auch ihr An¬ 
blick selber schreckte den Feind; denn noch furchtbarer machte die 
ohnehin riesigen Gestalten ihre Rüstung. Als Helm trugen sie die 
Schädelhaut eines Tieres, woran die Hörner und Ohren stehen 
geblieben, als Mantel das Fell, dazu einen langen, bemalten Schild, 
hinter dem der Mann sich bergen konnte; der nervige Arm schwang 
die „Framea", einen Spieß mit gleißender Steinspitze, oder die 
lange Lanze, die Axt, die Keule, das Messer (Sachs). Während 
die Männer fochten, walteten die Frauen in der Wagenburg, Pfleg¬ 
ten die Verwundeten, sangen den Ermatteten Mut ein, erdolchten 
die Feigen, die zurückflohen, und war alles verloren, so töteten sie 
ihre Kinder und sich selbst, um einer verhaßten Knechtschaft zu ent¬ 
gehen. Siegten die Deutschen, so verteilten sie die Beute und Ge¬ 
fangenen unter einander, dann zogen sie heim und opferten einen 
Teil den Göttern. 
3. Eine andere Heerfahrt war die auf Abenteuer. Wenn einem 
Helden die Ruhe des Friedens zu lange währte, so berief er die 
Rüstigsten des Stammes, daß sie seine Waffenbrüder würden und mit 
ihm auszögen auf kecke Abenteuer, auf Sieg, Ruhm und Bente. Da 
schwuren sie ihm, immerdar sein Geleite zu sein, und blieben, wo¬ 
hin er sie führte, wenn's nur ein ehrlich Werk war, in Not und 
Tod ihm getreu. Ewige Schande fiel auf den, der seinen Herzog 
verließ; und fiel dieser im Kampfe, so mochte ihn kein Waffenbruder- 
überleben. Die erste Todsünde war ihnen Treulosigkeit und Wort¬ 
brüchigkeil. Tacitus erzählt davon fast Unglaubliches; z. B. bei ihren 
Mahlzeiten trieben die alten Deutschen auch Würfelspiel mit solcher 
Begierde um Gewinn und Verlust, daß sie, wenn alles verloren war, 
auf den letzten Wurf ihr höchstes Gut — ihre Freiheit, sich selbst 
setzten, und der Verlierende ging dann ruhig in die freiwillige Knecht¬ 
schaft, ließ sich geduldig binden, als Knecht verkaufen; so standhaft 
hielten sie ihr Wort.
	        
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