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feit." Es sind diese Hofgeschichten so enge mit der Staatsgeschichte der 
damaligen Zeit verflochten, daß sie nicht mit Stillschweigen übergangen 
werden dürfen, so wünschenswert dies auf einer Seite auch wäre. 
Madame Scarron, von französischen Eltern in Amerika geboren, 
war in ihrem vierzehnten Jahre arm und verwaist nach Paris gekommen 
und hier die Gattin des berühmten komischen Dichters Scarron ge¬ 
worden, eines kränklichen, ungestalteten Mannes, der jedoch seines un¬ 
erschöpflichen Witzes wegen sehr beliebt war und die gebildetsten Männer 
der Hauptstadt in seinem Kreise sah. Nach seinem Tode lebte die noch 
jugendliche Wittwe in Einsamkeit und Armuth, bis die Marquise von 
Montespan ihr die Pflege und Erziehung ihrer Kinder übergab. Hier 
sah sie der König öfter, bemerkte und bewunderte ihren Geist und wurde 
von der Treue und Sorgfalt, mit der sie seine Kinder wartete, so ein¬ 
genommen, daß er halbe Tage lang in der Kinderstube zubrachte und 
hier das erste Mal in seinem Leben die Süßigkeit eines stillen Familien¬ 
lebens kennen lernte. Bald gelang es der klugen Dame, durch Ernst 
und sittsames Wesen, durch Demuth und Nachgiebigkeit, unter welcher 
sie ihren Ehrgeiz geschickt zu verbergen wußte, durch religiöse Salbung 
den alternden König, welcher das Leben bis zum Ueberdruß ausgenossen 
hatte, völlig an sich zu fesseln. 
Als er Madame Scarron (die nach einem Gute, das sie sich kaufte, 
nun Frau von Maintenon genannt wurde), in's königliche Schloß 
aufnahm, war er 48, sie 50 Jahre alt; seinem geschwächten Körper und 
seinen abgestumpften Empfindungen waren die Feste und Lustbarkeiten 
seines Hofes nicht mehr angemessen; man konnte nichts ersinnen, was 
ihm Freude machte, um so weniger, als zu dieser Zeit sein Kriegsglück 
ihn zu verlassen begann. Da war die geduldige, ruhige, besonnene und 
gefällige Maintenon ganz an ihrem Platze, die im Vereine mit seinen 
Beichtvätern nun begann, ihn statt der glänzenden Hoffeste und üppigen 
Lustbarkeiten an religiöse Betrachtungen zu gewöhnen und seinen Sinn 
auf ernste Dinge zu lenken. Er bereute nun die Sünden seiner Jugend 
und brachte viele Stunden mit Andachtsübungen in der Kirche zu. 
Außerdem hielt er sich halbe Tage lang in dem Zimmer der Maintenon 
auf, gab dort seinen Ministern Audienz, und oft mußten sie daselbst 
arbeiten, während Madame Maintenon anscheinend theilnahmlos mit 
weiblicher Arbeit beschäftigt war. Der König wußte nicht, daß die 
wichtigsten Beschlüsse zuvor schon zwischen seinen Räthen und der all¬ 
mächtigen Dame in's Reine gebracht waren. Nach dem Tode der Kö¬ 
nigin (1683) ließ sich Ludwig in der Stille mit Frau von Maintenon 
trauen, doch brachte sie es nicht dahin, daß man ihr bei öffentlichen Ge¬ 
legenheiten anders als einer Hofdame begegnete; nur in ihren Ge¬ 
mächern wurde sie als Königin betrachtet.. Als ewige Schuld haftet auf 
ihr die Aufhebung des Ediktes von Nantes, zu welcher sie den König
	        
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