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227. Der Kalkstein.
Zu denjenigen Mineralien, welche auf der Erde am weitesten ver¬
breitet und für das gesamte Natur- und wirtschaftliche Leben von
größter Bedeutung sind, gehört unstreitig der Kalk. Er hilft nicht
nur die feste Erdrinde mit aufbauen, sondern findet sich auch aufgelöst
und unsichtbar im Wasser, im Blute, in der Milch, im Ei. Er ist der
Hauptbestandteil des Knochengerüsts der Menschen und Tiere, die ihn
wiederum von den Pflanzen empfangen. Mit jedem Bissen Brot,
mit jedem Schluck frischen Quellwassers genießen wir auch eine gewisse
Menge Kalk. Ans Kalk baut die Schnecke ihr Haus, die Muschel ihre
Schale, der Krebs seinen Panzer, der Vogel die Schale seines Eies,
die Korallen des Meeres ihre wunderbaren Stöcke, ja ganze Felsen¬
riffe und Inseln. Und wie viele Werke von Menschenhand wären
ohne Kalk gar nicht möglich! Der Kölner Dom ebensowenig wie
dein schlichtes Vaterhaus; nicht zu gedenken der Kunstwerke, die der
Bildhauer aus dem Marmor meißelt!
In unserm kleinen Heimatlande ist an Kalkstein kein Mangel.
Wer als Fremder die Umgegend von Gera durchstreift, ist erstaunt
über die Menge von Steinbrüchen, und alle liefern Kalk. Aber auch
bei Schleiz, Saalburg und Wurzbach tritt er in mächtigen Schichten
zutage. Saalburg liefert und verarbeitet einen sehr brauchbaren
Marmor, an den übrigen genannten Orten findet der Kalkstein größten¬
teils im Baugewerbe Verwendung.
Begleite mich im Geiste in einen Steinbruch des Unterlandes!
Hier bildet der Kalk nicht so dicht zusammenhängende Felsmassen wie
im Oberlande, sondern ziemlich wagerecht übereinander liegende, durch
tonige Fugen deutlich getrennte Schichten (Bänke), welche selten über
Z0 ein stark sind. Senkrechte Klüfte und Spalten zerlegen die Bänke
in mehr oder weniger rechteckige Stücke, so daß die Steinwand den
Eindruck einer künstlichen Mauer darbietet. Nach Entfernung der
überlagernden Erdmassen lassen sich die Steine ohne besondere Mühe
abheben; nur in den tieferen Lagen ist zuweilen ein Sprengen mit
Pulver oder Dynamit erforderlich, um besonders starke und feste Bänke
zu lockern und zu teilen. Die so gewonnenen Steine können oft fast
ohne weitere Zurichtung zum Bauen verwendet werden und liefern
warme, trockene Wände; doch werden in der Regel nur die Grund¬
mauern der Häuser daraus hergestellt. Auch benutzt man dazu ge¬
wöhnlich nur die tiefer liegenden Bänke, den „wilden Kalk", der
tonig ist und einen starken Beisatz von kohlensaurer Magnesia