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Berner zu bitten, einer so mächtigen Königin ihren Wunsch nicht zu
versagen. „Täte er es aber doch," setzte er hinzu, „so wollte ich
ihn zwingen, auch ohne seinen Willen mit mir zu kommen."
Da rüstete die Königin den Helden mit einem goldenen, von
kunstreichen Zwergen bereiteten Panzer, gab ihm Helm und Schild,
dazu ein gutes Schwert, das in goldener Scheide saß, und dessen
Knauf mit einem kostbaren Edelsteine geziert war. Als Ecke so ge¬
rüstet und strahlend im Glanze des Goldes dastand, befahl die Königin,
ihm auch das beste Roß aus dem Stalle herbeizuführen. Ecke aber
lehnte das dankend ab; „denn", sprach er, „ich bin zu groß, als daß
ein Roß mich weit zu tragen vermöchte; auch verlasse ich mich lieber
auf meine Füße, mit denen ich in kurzer Zeit die Reise zurückzulegen
gedenke." Rasch nahm er hierauf von den Frauen Abschied und eilte
mit großen Schritten davon, über die Bergwälder nach Süden
hin. Laut erklang hei jedem Schritte sein Panzer, und wenn er mit
dem Helme an die Äste der Bäume stieß, so gab es einen Klang, als
töne eine Glocke, und wenn der Schild, den er im Arme trug, an
die Zweige schlug, gab er so laute Töne von sich, daß die Vöglein im
Walde davon erwachten und den Schall mit ihren süßen Stimmen
zu übertönen suchten. Die wilden Tiere des Waldes aber flohen
scheu zurück und schauten verwundert dem riesigen Läufer nach.
In wenigen Tagen war er von den Ufern des Rheines zu dem
Hochgebirge gekommen, ohne nur einmal zu rasten; und als er auch
das Gebirge überschritten, gelangte er zu einer freien Waldstelle, bei
der er die Hütte eines Einsiedlers fand. Er beugte seinen gewaltigen
Rücken gar sehr und trat in die Hütte des Einsiedlers ein, um die
Straße nach Bern zu erfragen.
Der Einsiedler erschrak über so ungewohnten Besuch; trotzdem
rief er dem Wanderer ein „Willkommen!" zu und lud ihn ein, die
Nacht in seiner Hütte zuzubringen und Brot und Wein mit ihm zu
teilen. Ecke nahm die dargebotene Labung dankend an. Als er den
Weg nach Bern erfahren hatte, da mochte er den Tag nicht erwarten,
„denn", sprach er, „es läßt mir keine Ruhe, bis ich den Helden
Dietrich gefunden habe, und ich könnte daher ohnedies nicht schlafen."
Da eilte er auf dem angewiesenen Wege nach Bern und, ohne ein¬
mal auszuruhen, lief er die ganze Nacht, so schnell, daß er am frühen
Morgen die Stadt bereits betrat. Die Einwohner der Stadt er¬
schraken und flohen vor der gewaltigen Erscheinung, denn Helm und
Harnisch des Recken leuchteten, als ob ein Feuer durch die Straßen
wandle. Ecke aber rief laut: „Wo ist denn der Herr Dietrich von
Bern? Den hab' ich lange gesucht und manches Land bin ich nach
ihm durchwandert. Drei edle Jungfrauen haben mich hergesandt, die
möchten ihn gern sehen und lassen ihn darum bitten, mit mir nach
Köln am Rhein zu kommen." Der Herr Dietrich aber war gerade
am Tage vorher nach Tirol ins Gebirge geritten, und als Ecke dieses
erfuhr, nahm er sein Schwert zur Hand und stürmte den Tiroler