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lieh; dennoch sollte er erstiegen werden. Durch Berg und Tal
und dichte Waldungen eilte Otto von Wittelsbach auf weiten Um¬
wegen mit zweihundert leicht bewaffneten Jünglingen mühsam
zur hinteren Wand des Felsens; wie abgeschnitten streckte auch
diese sich in die Lüfte. Nichts konnte jedoch jene Kühnen zu¬
rückschrecken; einer stellte sich auf die Schultern des andern,
aus Lanzen wurden Leitern gefertigt, Stufen eingehauen. Endlich
erreichte man den Gipfel, die kaiserliche Fahne ward aufge¬
pflanzt, und Freudengeschrei erhob sich in der Höhe wie in der
Tiefe. Da erschraken die in der Mitte Eingeschlossenen gewaltig;
den Felsen hatten sie nicht geglaubt besetzen zu müssen, der nur
Vögeln erreichbar schien. — In dem jetzt unausweichbaren
Kampfe wurden an fünfhundert getötet und mehr gefangen,
unter ihnen Alberich nebst elf anderen Edlen. Vergeblich boten
diese Geld für ihre Freiheit; das Todesurteil wurde über sie als
Friedensbrecher und Empörer ausgesprochen. Allzeit aber ward
von da an der Wittelsbacher an des Kaisers Seite erblickt, auf
dem Schlachtfelde sowohl, als auch auf den Reichstagen. Auch
in der Fürstenversammlung zu Bisanz in Burgund (Besançon),
wo der grosse Streit Friedrichs mit dem römischen Stuhle seinen
Anfang nahm, fehlte er nicht. Damals wagte zuerst des Papstes
Bote auszusprechen: es sei das Reich ein Lehen, aus der Hand
der Kirche dem Kaiser gegeben. Im Unwillen erhoben die
Fürsten alle ihr Haupt gegen den Hochmut. Der römischen
Gesandten einer, Kardinal Roland, rief ihnen aber entgegen:
„Von wem, wenn nicht von dem Herrn Papst, hat der Kaiser
das Reich?“ Da riss voll Jähzorn Pfalzgraf Otto von Wittels¬
bach sein Schwert aus der Scheide, und Friedrich hielt es nur
mühsam von Rolands Haupte. Bedarfs wohl der Züge noch
mehr, um in der Seele ein würdiges und wahres Bild zu schaffen
von dem echt deutschen Fürsten? Wo Ruhm und Gefahr, da
war Otto, als Hauptmann in Schlachten und Belagerungen, als
erster im Rate der Fürsten, des Kaisers starke Stütze. Als
Jüngling durch Glück und Kühnheit gross, als Mann bedacht
und starkmutig, hat er immerdar Ruhm mehr als Gut, Gerech¬
tigkeit mehr als Ruhm, das Vaterland über alles geliebt. —
Gehet hin und tuet desgleichen! Zschokke.
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32. Friedrich Barbarossa und Hartmann von
Siebeneichen.
Bei Susa stehet einsam ein abgelegenes Hans,
es ruhet dort der Kaiser von seinen Nöten aus.
Ach wehe, Barbarossa, wer wies dir diesen Pfad!
Das Haus ist rings umstellet von Mördern und Verrat.