Full text: Das Vaterland (Schulj. 5 und 6)

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den Herzog auf dem Schlosse. Er muß gestehen, daß die thüringi¬ 
schen Damen eine sehr gute Küche führen und auf die Ehre des Gast¬ 
rechts halten. Noch hat man sich kaum niedergesetzt, als ein Eilbote 
die Gräfin aus dem Saale ruft. Es wird ihr gemeldet, daß in 
einigen Dörfern unterwegs die spanischen Soldaten Gewalt gebraucht 
und den Bauern das Vieh weggetrieben hätten. Katharina war eine 
Mutter ihres Volks; was dem ärmsten ihrer Unterthanen widerfuhr, 
war ihr selbst zugestoßen. Aufs äußerste über diese Wortbrüchigkeit 
entrüstet, doch von ihrer Geistesgegenwart nicht verlassen, befiehlt sie 
ihrer ganzen Dienerschaft, sich in aller Geschwindigkeit und Stille zu 
bewaffnen und die Schloßpforten wohl zu verriegeln; sie selbst be- 
giebt sich wieder nach dem Saale, wo die Fürsten noch bei Tische 
sitzen. Hier klagt sie ihnen in den beweglichsten Ausdrücken, was ihr 
eben hinterbracht worden, und wie schlecht man das gegebene Kaiser¬ 
wort gehalten. Man erwidert ihr mit Lachen, daß dies nun einmal 
Kriegsgebranch sei, und daß bei einem Durchmärsche von Soldaten 
dergleichen kleine Unfälle nicht zu verhüten wären. „Das wollen wir 
doch sehen," antwortete sie aufgebracht. „Meinen armen Unterthanen 
muß das Ihrige wieder werden, oder, bei Gott!" — indem sie 
drohend ihre Stimme anstrengte, „Fürstenblut für Ochsenblut!" 
Mit dieser bündigen Erklärung verließ sie das Zimmer, das in 
wenigen Augenblicken von Bewaffneten erfüllt war, die sich, das 
Schwert in der Hand, doch mit vieler Ehrerbietung hinter die Stühle 
der Fürsten pflanzten und das Frühstück bedienten. Beim Eintritte 
dieser kampflustigen Schar veränderte Herzog Alba die Farbe; stumm 
und betreten sah man einander an. Abgeschnitten von der Armee, 
von einer überlegenen, handfesten Menge umgeben, was blieb ihm 
übrig, als sich in Geduld zu fassen und, auf welche Bedingung es 
auch sei, die beleidigte Dame zu versöhnen. Heinrich von Braun¬ 
schweig faßte sich zuerst und brach in ein lautes Gelächter aus. Er 
ergriff den vernünftigen Ausweg, den ganzen Vorgang ins Lustige 
zu kehren, und hielt der Gräfin eine große Lobrede über ihre landes- 
mütterliche Sorgfalt und den entschlossenen Mut, den sie bewiesen. 
Er bat sie, sich ruhig zu verhalten, und nahm es auf sich, den Her¬ 
zog von Alba zu allem, was billig sei, zu vermögen. Auch brachte 
er es bei dem letzteren wirklich dahin, daß er auf der Stelle einen 
Befehl an die Armee ausfertigte, das geraubte Vieh den Eigen¬ 
tümern ohne Verzug wieder auszuliefern. Sobald die Gräfin von 
Schwarzburg der Zurückgabe gewiß war, bedankte sie sich aufs schönste 
bei ihren Gästen, die sehr höflich von ihr Abschied nahmen. 
Friedrich von Schiller.
	        
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