Full text: Das Vaterland (Schulj. 5 und 6)

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3000 Stück Friedrichsd'or, und die Frau trug einen Korb mit frischer 
Butter. Er sprach schlicht und einfach, nach der Sitte jener Leute 
mit bedecktem Haupte und der Anrede Du also: „Gnädigster Herr! 
Deine getreuen Unterthanen in der Weichselniederung haben mit 
Schmerz erfahren, wie groß Deine Not ist, die Gott über Dich, Dein 
Haus und Land verhängt hat. Das thut uns allen leid, und darum 
sind unsere Gemeinden zusammengetreten und haben gern und willig 
diese Kleinigkeit zusammengebracht. Von ihnen bin ich geschickt und 
komme nun in ihrem Namen, unseren lieben König und Herrn zu 
bitten, diese Gabe aus treuen Herzen wohlwollend anzunehmen. Wir 
werden nicht aufhören, für Dich zu beten!" Die Bäuerin aber über¬ 
reichte mit offenem, freundlichem Angesichte ihren Korb voll frischer 
Butter der Königin mit den Worten: „Man hat mir gesagt, daß 
unsere gnädige Frau Königin gute, frische Butter sehr liebt, und daß 
auch die jungen Prinzen und Prinzeßchen gern ein gutes Butterbrot 
essen. Diese Butter hier ist rein und gut aus meiner eigenen Wirt¬ 
schaft, und da sie jetzt selten ist, so habe ich gedacht, sie würde wohl 
angenehm sein. Die gnädige Königin wird auch meine kleine Gabe 
nicht verachten; Du siehst ja so freundlich und gut aus; wie freue 
ich mich, Dich einmal in der Nähe so sehen zu können!" — Solche 
Sprache verstand die Königin; mit Thränen der Rührung im Auge 
drückte sie der Bauernfrau die Hand, nahm das Umschlagetuch, das 
sie gerade trug, ab und hing es der gutmütigen Geberin um mit den 
Worten: „Zum Andenken an diesen Augenblick!" — Auch der König 
nahm die Gabe treuer Liebe gern, quittierte aber über den Empfang, 
und daß er späterhin reich und königlich vergalt, darf nicht erst ver¬ 
sichert werden. — Als mehrere Jahre nachher den Abraham Nickel 
das Unglück traf, durch Brand sein Wohnhaus nebst Ställen zu ver¬ 
lieren, ließ der König das Gehöfte des Bauern besser, als es vorher 
gewesen war, wieder herstellen. Die gute Gesinnung aber, welche 
jene Gemeinde in Preußen zu jener Zeit bethätigte, hatte auf ihn 
einen so tiefen und günstigen Eindruck gemacht, daß er, so oft von 
diesen friedlichen und harmlosen Leuten die Rede war, ihrer immer 
mit besonderem Wohlwollen gedachte. Eylert. 
- 4. Vergeben, vergessen. 
Friedrich Wilhelm III. war ein Freund schöner Blumen. Einst 
hatte ihm seine Tochter, die Kaiserin von Rußland, eine seltene Blume 
von herrlicher Farbenpracht und angenehmem Dufte geschenkt, die 
der König von seinem Hofgärtner Fintelmann auf der Pfaueninsel 
aufs sorgfältigste pflegen ließ. Er nannte diese Blume nach seiner 
Tochter: „Meine liebe Charlotte". An drei Tagen in der Woche 
durfte das Publikum die Pfaueninsel besuchen und die vielen herr¬ 
lichen Gewächse und seltenen Pflanzen sehen und sich daran erfreuen. 
Da bemerkte eines Tages der Hosgärtner zu seinem größten Schrecken, 
daß die dem Könige so werte Blume abgepflückt war. Unruhig
	        
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