Full text: Das Vaterland (Schulj. 5 und 6)

145 
derten, so wurden sie ungebärdig und zerschlugen, was ihnen zur 
Hand kam. Mehrmals bedrohten sie uns mit dem Säbel in der 
Faust. Wir waren dann froh, wenn wir mit einigen derben Püffen 
davonkamen. Denn wir bedachten, was Vater sagte: „Wenn uns die 
Schufte eins geben, daß wir das Aufstehen vergessen, so kräht kein 
Hahn danach." Als es den Eltern einmal nicht möglich war, den 
lästigen Gästen Fleisch vorzusetzen, da machten sie kurzen Prozeß und 
fingen ein paar junge Hühner vom Hofe weg, die sie selber in der 
Küche brieten. Damit waren sie auf den Geschmack gekommen, und 
täglich wurden ein paar Hühner weggeschlachtet, zum Jammer meiner 
Mutter. Zuletzt war nur noch ein Hahn übrig, der Liebling meines 
Bruders Ludwig. „Sein" Hahn war sein größter Stolz; denn im 
ganzen Dorfe gab es keinen stattlicheren. Bisher hatte das kluge 
Tier sich den Nachstellungen der bösen Franzosen mit Geschick ent¬ 
zogen, und Ludwig und ich jubelten laut, wenn er den Häschern 
wieder einmal über die Hecke ins Feld entwichen war. Als er aber 
eines Tages unter den Küchenfenstern auf und ab stolzierte und durch 
Krähen sein Futter forderte, da flog plötzlich ein schweres Stück 
Brett auf ihn und schlug ihn zu Boden. Der Franzose, der es ge¬ 
worfen hatte, sprang schnell hinzu, ergriff den Hahn, eilte in die 
Küche und schlug ihm den Kopf ab. Da stand Ludwig; die Thränen 
stürzten ihm aus den Augen; er erhob die geballte Faust gegen den 
Franzosen und schrie: „Warte, du Unmensch! Wenn ich groß bin, 
zieh' ich in den Krieg gegen euch und euern Lumpenkaiser!" Zum 
Glücke verstand der Franzose die Worte nicht, sondern lachte uns nur 
höhnisch ins Gesicht. 
Als aber nach sechs Jahren der König von Preußen das Volk zum 
Kampfe gegen die welschen Unterdrücker aufrief, da gehörten zu den ersten, 
die sich in Frankfurt stellten, auch wir, mein Bruder Ludwig und ich. 
Nach siegreich beendetem Kriege kam Ludwig, mit dem eisernen 
Kreuze geschmückt, aus Frankreich zurück. N. Berl. Lesebuch. 
76. Die drei Gesellen. 
1. Es waren drei Gesellen, 
die stritten widern Feind 
und thäten stets sich stellen 
in jedem Kampf vereint. 
Der ein' ein Österreicher, 
der andr’ ein Preusse hiess, 
davon sein Land mit gleicher 
Gewalt ein jeder pries. 
Woher war denn der dritte? 
Nicht her von Östreichs Flur, 
auch nicht von Preussens Sitte, 
von Deutschland war er nur. 
2. Und als die drei einst wieder 
standen im Kampf vereint, 
da warf in ihre Glieder 
Kartätschensaat der Feind. 
Da fielen alle dreie 
auf einen Schlag zugleich; 
der eine rief mit Schreie: 
„Hoch lebe Österreich!“ 
Der andre, sich entfärbend, 
rief: „PreussSfi lebe hoch!“ 
Der dritte, ruhig sterbend, 
was rief der dritte doch? 
10 
Das SSatcrlaub.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.