Full text: Das Vaterland (Schulj. 5 und 6)

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3. Er rief:,,Deutschland soll leben!“ 
Da hörten es die zwei, 
wie rechts und links daneben 
sie sanken nah dabei. 
Da richteten im Sinken 
sich beide nach ihm hin, 
zur Rechten und zur Linken, 
und lehnten sich an ihn. 
Da rief der in der Mitten 
noch einmal: „Deutschland hoch!“ 
Und beide mit dem dritten 
riefen’s und lauter noch. 
4. Da ging ein Todesengel 
im Kampfgewühl vorbei 
mit einem Palmenstengel, 
und liegen sah die drei. 
Er sah auf ihrem Munde 
die Spur des Wortes noch, 
wie sie im Todesbunde 
gerufen: „Deutschland hoch!“ 
Da schlug er seine Flügel 
um alle drei zugleich 
und trug zum höchsten Hügel 
sie auf in Gottes Reich. 
Friedrich Itiickert. 
77. König Wilhelm und Graf Bismarck in der 
Schlacht bei Königgrätz. 
Es war am 3. Juli des Jahres 1866 nachmittags 4 Uhr 
Der gewaltige Kampf zwischen der österreichischen und preußischen 
Armee war ans allen Linien zu Gunsten der Preußen entschieden. 
Der König hatte seit achtundvierzig Stunden nur zwei Stunden 
geruht, nach diesem kurzen Schlummer dann einen etliche Meilen 
langen Weg zu Wagen zurückgelegt, und nun saß er, der angehende 
Siebziger, seit vierzehn Stunden im Sattel. Seit frühmorgens hatte 
er nichts genossen, und es that ihm wohl, daß er von einem Reit¬ 
knecht ein Stück Soldatenbrot empfing. Außer den Generalen von 
Moltke und Roon gehörte auch Graf Bismarck zur nächsten Umgebung 
des Königs. Schon mitten in der Schlacht war der König mehrmals 
dem Granatenfeuer ausgesetzt gewesen, jetzt, am Nachmittage, geriet 
er in Gefahr, von den fliehenden Österreichern mit fortgerissen zu 
werden, als sich ein Knäuel von zehn Kürassieren und fünfzehn 
Pferden blutend überwälzte. Aber der Monarch fühlte sich durch 
das tapfere Verhalten seines Heeres gehoben und mißachtete jede 
Gefahr. Immer neue Bataillone zogen vorüber, denen er Dank 
sagen wollte, und so geriet er wieder wirklich ins Feuer hinein. 
Da konnte sich Bismarck, der sich in der unmittelbaren Nähe des 
Königs befand, nicht mehr enthalten, seinen königlichen Herrn auf 
die Gefahr aufmerksam zu machen. Lächelnd erwiderte König Wilhelm: 
„Wo soll ich denn als Kriegsherr hinreiten, wenn meine Armee im 
Feuer steht?" 
Bismarck schwieg. Als aber bald darauf mehrere Granaten in 
unmittelbarer Nähe des Königs einschlugen, näherte er sich demselben 
noch einmal und sprach mit bewegter Stimme: „Als Major habe ich Eurer 
Majestät auf dem Schlachtfelde keinen Rat zu erteilen, als Minister¬ 
präsident, von dem das preußische Volk seinen König fordern wird,
	        
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