190
nach der Ankunft im Walde vorgenommen wird, ist der Aufbau
einer Hütte, die sie die Kote nennen. Sie ist einfach genug und
bald gebaut. Junge Tannenstämme werden mit den Spitzen zu¬
sammengestellt und alsdann mit Baumrinde ganz üiberkleidet. Eine
einzige Öffnung vertritt Thüre und Fenster. In der Mitte ist die
Feuerstelle, über welcher an einem eisernen Haken ein Kessel hängt.
In die Zeltstangen sind Pflöcke geschlagen; an diese werden Beutel
mit Salz, Zwiebeln u. dergl., sowie auch Kleidungsstücke gehängt.
Einige hölzerne Kisten, Laden genannt, nehmen das Brot, die
Kartoffeln, Wurst, Mehl u. dergl. auf. Die Lagerstätte ist eine
breite Bank, aus dünnen Baumstämmen zusammengefügt, auf
der Moos und Moossäcke statt der Federbetten liegen. Jede
Woche, gewöhnlich Mittwochs oder Sonnabends, kommen die Frauen
der Köhler, um die notwendigsten Lebensmittel zu bringen. Abends
wird die beliebte Scheibensuppe gekocht. Man schneidet nämlich
Brotscheiben in einen Napf, gießt kochendes Wasser darauf, thut
etwas Butter, viel Salz und Kümmel daran, und die Suppe ist fertig.
Ist einer der Tischgenoffen noch im Walde beschäftigt, so wird
ihm ein Zeichen durch einen hölzernen Hammer gegeben, mit welchem
auf ein glattes Buchenbrett geschlagen wird, das zwischen zwei
Stricken in der Schwebe hängt. Weit in den Wald hinein dringt
dZr Ruf dieser Tischglocke. Einfache Sitte und Zucht ist auch in der
Tischordnung. Nach dem Händefalten fährt der Köhlermeister zuerst mit
sienem hölzernen Löffel in die Schüssel, dann kommt der Schlittner und
dann erst der Lehrjnnge. Legt der Meister seinen Löffel zur Seite, so
thun es die anderen auch. Der Junge reinigt darauf den Napf und die
Löffel, trägt Holz für die Nacht zur Feuerstätte und begiebt sich mit
den übrigen zur Ruhe. Der Köhlermeister aber macht noch die Runde
von Meiler zu Meiler und beobachtet prüfend den Brand, ehe er als
der letzte sein Lager aufsucht. Nach Gude.
110. Jungfrau Ilse.
Sage.
Der Ilsenstein ist einer der grössten Felsen des Harzgebirges,
liegt auf der Nordseite in der Grafschaft Wernigerode unweit
Ilsenburg am Fusse des Brockens und wird von der Ilse bespült.
Ihm gegenüber erhebt sich ein ähnlicher Fels, dessen Schichten
zu diesem passen und bei einer Erderschütterung davon getrennt
zu sein scheinen.
Bei der Sündflut flohen zwei Geliebte dem Brocken zu, um
der immer höher steigenden allgemeinen Überschwemmung zu
entrinnen. Ehe sie noch denselben erreichten und gerade auf
einem anderen Felsen zusammenstanden, spaltete sich dieser und
wollte sie trennen. Auf der linken Seite, dem Brocken zuge¬
wandt, stand die Jungfrau, auf der rechten der Jüngling, und