Full text: Das Vaterland (Schulj. 5 und 6)

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nach der Ankunft im Walde vorgenommen wird, ist der Aufbau 
einer Hütte, die sie die Kote nennen. Sie ist einfach genug und 
bald gebaut. Junge Tannenstämme werden mit den Spitzen zu¬ 
sammengestellt und alsdann mit Baumrinde ganz üiberkleidet. Eine 
einzige Öffnung vertritt Thüre und Fenster. In der Mitte ist die 
Feuerstelle, über welcher an einem eisernen Haken ein Kessel hängt. 
In die Zeltstangen sind Pflöcke geschlagen; an diese werden Beutel 
mit Salz, Zwiebeln u. dergl., sowie auch Kleidungsstücke gehängt. 
Einige hölzerne Kisten, Laden genannt, nehmen das Brot, die 
Kartoffeln, Wurst, Mehl u. dergl. auf. Die Lagerstätte ist eine 
breite Bank, aus dünnen Baumstämmen zusammengefügt, auf 
der Moos und Moossäcke statt der Federbetten liegen. Jede 
Woche, gewöhnlich Mittwochs oder Sonnabends, kommen die Frauen 
der Köhler, um die notwendigsten Lebensmittel zu bringen. Abends 
wird die beliebte Scheibensuppe gekocht. Man schneidet nämlich 
Brotscheiben in einen Napf, gießt kochendes Wasser darauf, thut 
etwas Butter, viel Salz und Kümmel daran, und die Suppe ist fertig. 
Ist einer der Tischgenoffen noch im Walde beschäftigt, so wird 
ihm ein Zeichen durch einen hölzernen Hammer gegeben, mit welchem 
auf ein glattes Buchenbrett geschlagen wird, das zwischen zwei 
Stricken in der Schwebe hängt. Weit in den Wald hinein dringt 
dZr Ruf dieser Tischglocke. Einfache Sitte und Zucht ist auch in der 
Tischordnung. Nach dem Händefalten fährt der Köhlermeister zuerst mit 
sienem hölzernen Löffel in die Schüssel, dann kommt der Schlittner und 
dann erst der Lehrjnnge. Legt der Meister seinen Löffel zur Seite, so 
thun es die anderen auch. Der Junge reinigt darauf den Napf und die 
Löffel, trägt Holz für die Nacht zur Feuerstätte und begiebt sich mit 
den übrigen zur Ruhe. Der Köhlermeister aber macht noch die Runde 
von Meiler zu Meiler und beobachtet prüfend den Brand, ehe er als 
der letzte sein Lager aufsucht. Nach Gude. 
110. Jungfrau Ilse. 
Sage. 
Der Ilsenstein ist einer der grössten Felsen des Harzgebirges, 
liegt auf der Nordseite in der Grafschaft Wernigerode unweit 
Ilsenburg am Fusse des Brockens und wird von der Ilse bespült. 
Ihm gegenüber erhebt sich ein ähnlicher Fels, dessen Schichten 
zu diesem passen und bei einer Erderschütterung davon getrennt 
zu sein scheinen. 
Bei der Sündflut flohen zwei Geliebte dem Brocken zu, um 
der immer höher steigenden allgemeinen Überschwemmung zu 
entrinnen. Ehe sie noch denselben erreichten und gerade auf 
einem anderen Felsen zusammenstanden, spaltete sich dieser und 
wollte sie trennen. Auf der linken Seite, dem Brocken zuge¬ 
wandt, stand die Jungfrau, auf der rechten der Jüngling, und
	        
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