27
4. Klein Roland, du mein teures Kind,
nun Ehr' und Liebe mir,
klein Roland, komm herein geschwind!
Mein Trost kommt all von dir.
5. Klein Roland, geh zur Stadt hinab,
zu bitten um Speis und Trank!
Und wer dir giebt eine kleine Gab',
dem wünsche Gottes Dank!"
6. Der König Karl zur Tafel saß
im goldnen Rittersaal;
die Diener liefen ohn' Unterlaß
mit Schüssel und Pokal.
7. Von Flöten, Saitenspiel, Gesang
ward jedes Herz erfreut;
doch reichte nicht der helle Klang
zu Berthas Einsamkeit.
8. Und draußen in des Hofes Kreis
da saßen der Bettler viel;
die labten sich an Trank und Speis
mehr als am Saitenspiel.
9. Der König schaut in ihr Gedräng'
wohl durch die offne Thür,
da drückt sich durch die dichte Meng'
ein feiner Knab' herfür.
10. Des Knaben Kleid ist wunderbar
vierfarb' zusammengestückt;
doch weilt er nicht bei der Bettlerschar,
herauf zum Saal er blickt.
11. Herein zum Saal klein Roland tritt
als wär's sein eigen Haus;
er hebt eine Schüssel von Tisches Mitt'
und trägt sie stumm hinaus.
12. Der König denkt: „Was muß ich sehn?
Das ist ein sondrer Brauch."
Doch weil er's ruhig läßt geschehn,
so lassen's die andern auch.
13. Es stund nur an eine kleine Weil',
klein Roland kehrt in den Saal;
er tritt zum König hin mit Eil'
und faßt seinen Goldpokal.