11
— 399 —
Ende machen. Da half denn auch kein Zureden von seiten
seiner Frau, die sonst immer aufgeräumten Sinnes war, und alle
Trostgründe seiner Freunde, weltliche und geistliche, verschlugen
nichts und machten ihn nur schweigsamer und trübseliger.
Der geneigte Leser wird denken, da sei es kein Wunder
gewesen, dass denn zuletzt auch die Frau all ihren Mut und
Freude verloren hat. Es hatte aber mit ihrer Traurigkeit eine
ganz eigene Bewandtnis, wie wir bald hören werden. Als der
Mann sah, dass auch sein Weib trauerte und nun forteilte, hielt
er sie an und sprach: „Ich lasse dich nicht aus der Stube, bis
du mir sagst, was dir fehle." Sie schwieg noch eine Weile, ■
dann aber that sie den Mund auf, und indem sie einen tiefen
Seufzer holte, sprach sie: „Ach, lieber Mann, es hat mir heute
nacht geträumt, unser lieber Herrgott sei gestorben, und die
lieben Engelein seien ihm zur Leiche gegangen.“ „Einfalt!“
sagte der Mann, „wie kannst du denn so etwas Albernes für
wahr halten oder auch nur denken? Herzlieb, bedenk doch,
Gott kann ja nicht sterben!“ Da erheiterte sich plötzlich das
Gesicht der guten Frau, und indem sie des Mannes beide Hände
erfasste und zärtlich drückte, sagte sie: „Also lebt er noch, der
alte Gott?“ „Ja freilich!“ sprach der Mann, „wer wollte denn
daran zweifeln?“ Da umfing sie ihn und sah ihn an mit ihren
holdseligen Augen, aus denen Zuversicht und Friede und Freudig¬
keit strahlte, und sie sprach: „Ei, nun, Herzensmann, wenn der
alte Gott noch lebt, warum glauben und vertrauen wir denn
nicht auf ihn! — er, der unsere Haare gezählt hat und nicht
zulässt, dass eines ohne sein Wissen ausfalle, der die Lilien des
Feldes bekleidet und die Sperlinge ernährt und die jungen Raben,
die nach Futter schreien!“ — Bei diesen Worten geschah es dem
Manne, als fielen ihm plötzlich Schuppen vom Auge und als
löste sich das Eis, das sich um sein Herz gelegt hatte. Und
er lächelte zum ersten Male wieder nach langer Zeit, und er
dankte seinem frommen, lieben Weibe für die List, die sie an¬
gewandt, um seinen toten Glauben an Gott zu beleben und das
Zutrauen zu ihm hervorzurufen. Und die Sonne schien nun
noch freundlicher in die Stube auf das Antlitz zufriedener Menschen,
und die Lüfte wehten erquicklicher um ihre verklärten Wangen,
und die Vögel jubilierten noch lauter in den Dank ihrer Herzen
gegen Gott. Ludwig Aurbacher,
285. Gebet.
1. Herr! schicke, was du willt,
ein Liebes oder Leides;
ich bin vergnügt, dass beides
aus deinen Händen quillt.