29
23. „Die Dame hat nach meinem Sinn
den besten Diener der Welt.
Sie ist wohl Bettlerkönigin,
die offne Tafel hält.
24. So edle Dame darf nicht fern
von meinem Hofe fein;
wohlauf, drei Damen! auf, drei Herrn!
führt sie zu mir herein!"
25. Klein Roland trägt den Becher stink
hinaus zum Prunkgemach;
drei Damen auf des Königs Wink,
drei Ritter folgen nach.
26. Es stund nur an eine kleine Weil'
(der König schaut in die Fern'),
da kehren schon zurück mit Eil'
die Damen und die Herrn.
27. Der König ruft mit einemmal:
„Hilf, Himmel! seh' ich recht?
Ich hab' verspottet im offnen Saal
mein eigenes Geschlecht.
28. Hilf, Himmel! Schwester Bertha, bleich,
im grauen Pilgergewand;
hilf, Himmel! in meinem Prunksaal reich
den Bettelstab in der Hand."
29. Frau Bertha füllt zu Füßen ihm,
das bleiche Frauenbild;
da regt sich plötzlich der alte Grimm,
er blickt sie an so wild.
30. Frau Bertha senkt die Augen schnell,
kein Wort zu reden sich traut;
klein Roland hebt die Augen hell,
den Ohm begrüßt er laut.
31. Da spricht der König in mildem Ton:
„Steh auf, du Schwester mein!
Um diesen deinen lieben Sohn
soll dir verziehen sein."
32. Frau Bertha hebt sich freudenvoll:
„Lieb Bruder mein, wohlan!
Klein Roland dir vergelten soll,
was du mir Gut's gethan;