Full text: Vaterland und Weite Welt (C. Oberstufe)

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auf die Barriere setzen, wie wenn er zu den Zuschauern herüber¬ 
steigen wolle. Lag er, so schien er es doch nicht gern zu haben, 
wenn man sich auf ihn wie auf ein Bett setzte. Oft ergriff er un¬ 
willig eine hölzerne Säule und schüttelte sie, daß sie krachte, doch 
offenbar nur zum Zeitvertreibe. Er machte sich immer etwas zu schaffen. 
Dann donnerte ihn sein Kornak oder Führer an und stieß ihm einen 
Zweizack ins Maul, daß es blutete; er litt es und wurde ruhiger. 
Er griff auch zu einem hohen Gitter herauf, um es zu zerreißen. 
Stellte man ihm einen Eimer mit Wasser hin, so begoß er sich an 
allen Seiten des Körpers zwanzig-, dreißigmal mit der deutlichsten 
Äußerung, daß ihm diese Abkühlung große Freude machte. Er spielte 
mit dem Wasser, um sich Kurzweil zu machen, recht eigentlich. Als 
man eines Abends und die Nacht hindurch Vorkehrungen zu seiner 
Abreise machte, schlief er sehr unruhig, schüttelte im Schlafe die Kette 
oft und stieß ungewöhnliche Brummtöne aus. Entfesselt trat er dann 
ganz ruhig und froh aus dem Hause, zwischen zwei Ketten rechts und 
links, in seinen Kasten hinein, in welchem er zu Fuß reisen mußte.— 
Ein weiblicher Elefant war gegen jedermann wunderbar zutraulich, stand 
ohne irgend eine Barriere oder Hemmung und reiste ganz frei und 
unangebunden mit mächtigen Schritten. Man trieb mit ihm närrische 
Dinge. Nicht nur mußte er Pistolen losschießen und allerlei erraten, 
sondern er mußte sich auch in der Art eines Hundes an einen Tisch 
setzen und klingeln, worauf ein Diener erschien, der ihm Brot und 
Obst hinstellte, das er augenblicklich aß. Er klingelte wieder, da 
erschien eine Flasche Wein; er entstöpselte sie und klingelte wieder; 
der Diener war sogleich wieder da und setzte ihm Backwerk vor. Bald 
war auch dieses fort, und augenblicklich klingelte er wieder u. s. w. 
Die Gutmütigkeit dieses ungeheuern Tieres, dieses beweglichen, grauen 
Felsen, war unbegreiflich groß. Ohne Furcht konnte man sich auf ihn 
hinaussetzen und reiten und sich beim Hinauf- und Herunterklettern 
an seinen ungeheuern Lappohren halten. Merkte er, daß man her¬ 
untersteigen wollte, so machte er seinen Rüssel starr, so daß man auf 
ihn heruntersteigen und von ihm, wie von einer Querstange, leicht auf 
den Boden springen konnte. 
Thatsachen sind es, daß der Elefant im Freien alle Zweige, die 
er von den Bäumen als Nahrung abbricht, an seinen Vorderbeinen 
abstreift, um Staub, Insekten u. s. w. zu entfernen, daß er nicht 
gern über Brücken geht, wenn er das Wasser sieht, und man also 
Wände machen muß, zwischen welchen er hindurch gehen soll; daß er 
manchmal seinem zahmen Zustande entläuft und sich wieder Jahre 
lang bei den wilden aufhält; daß er, wieder eingefangen, seinen ehe¬ 
maligen Herrn, sogar nach zehn und mehr Jahren, so gut wie der 
Pudel, wieder erkennt; daß der Jäger, wenn er zuerst den Elefanten 
erkennt, geradezu auf ihn losgehen oder losreiten und ihm befehlen 
darf, wieder mit ihm zu kommen; daß er für Beleidigungen ein 
treues, für Wohlthaten aber ein noch treueres Gedächtnis hat und
	        
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