Full text: Lesebuch für die Königlich Preußischen Unteroffizierschulen

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II. Ungebundene Form. 
verfolgt hatte, — es war ein Fürst, ein Gebieter, der jetzt in die Halle seines 
Schlofses trai. Der hohe Ernst war an die Stelle der Fröhlichkeit getreten, 
und die lachende Miene war verbannt. Aus den Augen blitzte so viel Hoheit, 
so viel gebieterische Würde, daß diejenigen, welche er anblickte, unwillkürlich 
ihre Häupter neigten. 
Sie kommen zu außergewöhnlicher Stunde, Herr Marquis“, redete er 
den Gesandten an, „und ich muß daher wohl annehmen, daß ein besonderer 
Auftrag Ihres Herrschers Sie hierhergeführt.“ 
„Euer Durchlaucht Weisheit hat wie immer das Rechte getroffen“, ent— 
gegnete Rebenac, „Seine Majestät König Ludwig der Vierzehnte haben mir 
Befehl erteilt, eine Unterredung bei Euer Durchlaucht nachzusuchen.“ 
„Ich erteile Ihnen diese hiermit.“ 
Durchlaucht⸗, nahm Rebenac das Wort, „ich wage voraus zu bemerken, 
daß die Beziehungen Brandenburgs zu Frankreich die besten sind. Sie haben, 
gnädigster Herr, mit meinem Gebieter jenen Frieden geschlossen, dessen Voll— 
ziehung den unheilvollen Krieg, der aufs neue ausbrechen wollte, auf zwanzig 
Jahre hinaus unmöglich gemacht — wollen Sie sich dessen gnädig erinnern?“ 
„Es bedarf dessen nicht, Herr Marquis; — weiter, wenn ich bitten darf.“ 
„Wir sind bemüht, diesen Frieden zu erhalten, aber — Durchlaucht 
verzeihen — die Bedingungen werden von seiten Brandenburgs nicht inne— 
gehalten.“ 
Der Kurfürst schüttelte unwillig sein Haupt. „Ihre Beweise, Herr 
Marquis“, sagte er. 
„Mein Herr hat es für notwendig gehalten, jenen Schutzbrief aufzuheben, 
welchen sein Vorfahr dereinst zu Nantes) zum besten der Hugenotten erließ. 
Von dem Tage an begannen die Streitigkeiten der Hugenotten mit der in 
Frankreich herrschenden Kirche. Ich habe nicht weiter nötig, die vielfachen 
Verhandlungen zu erwähnen, welche von jenem Tage an zwischen Euer Durch— 
laucht und meinem Gebieter gepflogen wurden. Die Hugenotten waren es, 
welche Schutz in Deutschland, Holland — vor allem bei Euer Durchlaucht 
suchten. Massenhafte Auswanderungen fanden statt. Dieses Aufgeben des— 
Valerlands ist wider meines Herrn Willen. Böte sich den aufrührerischen 
Unterthanen keine neue Heimat dar, sie würden sich geduldig dem neuen Gesetze 
fügen. Aber die Aussicht auf den Schutz Euer Durchlaucht macht die Leute 
kühn. Sie wagen es, teils offen, teils mit allerlei List, Frankreich zu verlassen 
und dem Reiche dadurch eine große Zahl von Kräften zu entziehen. Wir 
haben in der ersten Zeit mit Rücksicht auf das freundschaftliche Verhältnis zu 
Euer Durchlaucht geschwiegen; jetzt aber steigern sich die Auswanderungen. 
Ganze Familien verlassen Frankreich mit ihrem Anhange, um in Euer Durch— 
laucht Landen sich eine Heimat zu gründen. Ich habe Befehl erhalten, gegen 
die Aufnahme der Hugenotten in Brandenburg Einspruch zu erheben.“ 
über das Antlitz des Kurfürsten zuckte es wie ein Wetterstrahl. — Alle 
Anwesenden ahnten, daß dieser Blitz nur ein Vorläufer des schweren Gewitters 
war, das sich bald darauf entladen mußte. 
„Und das Verlangen Seiner Majestät?“ fragte der Kurfürst mit erkünstelter 
Ruhe. 
„Es ist einfach, gnädiger Herr. Heut ist wiederum eine Anzahl Ver— 
triebener in Berlin eingetroffen, sie harren in diesem Augenblicke auf, einen 
gnädigen Empfang durch Euer Liebden. Ich bitte Sie im Namen Seiner 
*) Sprich: Nankt.
	        
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