Full text: Für die Oberstufe (Theil 2)

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Darum bindet auch der Getreidebau allein die Völker an feste Wohnsitze. 
Der Jäger bedarf ein weites Gebiet, auf welchem er die lebenden Thiere 
als Beute erjagt. Der Nomade führt die Hausthiere mit sich, deren 
Fleisch und Milch er genießt; er sucht im Wandern passende Weiden für 
seine Herden. Der Ackerbauer aber bleibt in fester Verbindung mit dem 
Boden, aus welchem unter sorgsamer Pflege ihm seine Nahrung erwächst. 
4. Der Halm des Getreides dient grün oder getrocknet zum Futter 
für die Hausthiere. In den Gewerben wird das Stroh mannigfach 
verwendet. Endlich gewähren die Körner nicht bloß reichliche Nahrung, 
sondern sie werden auch in den verschiedensten Ländern in Gärung ver¬ 
setzt und liefern dann stärkere oder schwächere geistige Getränke. So ist 
die Hauptsache im Bier der gegorene Absud des Malzes d. h. der ge¬ 
keimten Gerste. So werden aus unserem Getreide wie aus Reis und 
Welschkorn branntweinartige Getränke gewonnen. Auf diese Weise wer¬ 
den die Getreidearten vielen zum schlimmsten Gifte; aber in rechtem 
Maße genossen sind die geistigen Getränke im Stande, den Körper des 
Menschen zu stärken und seine Seele zu ermuntern. 
5. So tief greifen die Getreidearten in unser ganzes Leben ein. Und 
doch sind sie nichts anderes als Grasarten, ähnlich den Wiesengräsern, 
an welchen wir nur den Halm, nicht aber das Korn schätzen. Im Ge¬ 
treide wird das Korn der Gräser mächtig entwickelt. Dieses Korn ist 
dem Menschen zur Nahrung und zur Erquickung gegeben; es fesselt den 
Herumschweifenden an feste Wohnsitze und höhere Gesittung. 
6. Der Weinstock. 
1. Der Herbst ist die Erntezeit des Weinstocks, dessen Früchte, 
die edlen Trauben, dem Menschen weniger ein nothwendiges 
Nahrungsmittel sondern mehr einen erquickenden, erfreuenden 
Genuss verschaffen, ihm eine Stärkung für seine leidende Ge¬ 
sundheit gewähren sollen; denn der Wein erquicket den Men¬ 
schen das Leben,^ so man ihn mässiglich geniesst, und er erfreuet 
des Menschen Herz. Gewiss hast du die Frucht schon als frische 
Traube genossen, vielleicht sie auch in ihrem ausgepressten Saft 
als Wein oder in ihrem getrockneten Zustand als Rosinen kennen 
gelernt und dich ihres Genusses gefreut. 
2. Das Vaterland des edlen Weinstocks ist uns wie das Vater¬ 
land der meisten Getreidearten und anderer Nutzpflanzen nicht 
mit Bestimmtheit bekannt. Mit ziemlicher Gewissheit setzt man 
es aber nach dem Morgenlande, nach Asien, in die Gegenden
	        
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