Full text: Für die Oberstufe (Theil 2)

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er sie lockte und etwas für sie hatte. Sie verkürzte ihm an einem 
Orte, wo kein Freund zu ihm kommen konnte, manche traurige Stunde. 
Aber als der Kerkermeister es merkte, brachte er sie ums Leben. 
Was ist verabscheuungswürdiger, ein solches Thier, das doch noch 
einem Unglücklichen einiges Vergnügen machen kann, oder ein solcher 
Mensch, der dem Unglücklichen auch dieses Vergnügen mißgönnt und 
zerstört? 
5. Ein anderer Gefangener, der sonst nichts zu thun wußte, gab 
lange Zeit aus die Spinnen acht; er merkte, daß sie auch Wetterpropheten 
seien. Bald ließen sie sich sehen und arbeiteten, bald nicht. Einmal 
spannen sie träge, ein andermal hurtig, einmal näher zusammen, ein 
andermal weiter auseinander, so oder so, und endlich konnte er daran 
erkennen, was für Wetter kommt, Sturm, Regen oder Sonnenschein, an¬ 
haltend oder veränderlich. Also auch dazu sind sie gut. 
6. Und wenn sich jemand verwundet hat und findet geschwind ein 
Spinnengewebe, das er auf die blutende Wunde legen kann, so ist er 
doch auch froh darüber. Wenn es rein ist, so kann es Blut und Schmerzen 
stillen; wenn es aber voll Staub ist, so schmerzt es noch mehr, weil 
der unreine Staub in die Wunde kommt. 
7. Daß es mancherlei Thiere dieser Gattung gebe, sieht man schon 
an der Verschiedenheit ihres Gewebes in der freien Luft, an Fensterscheiben, 
in den Winkeln, auf den Feldern, da und dort. Manche spinnen gar 
nicht, sondern springen nach ihrer Beute. Im Frühjahr und noch viel 
mehr im trockenen, warmen Nachsommer sieht man oft gar viele weiße 
Fäden in der Luft umberfliegen. Alle Bäume hängen manchmal voll, und 
die Hüte der Wanderer auf den Straßen werden davon überzogen. 
Man konnte lange nicht errathen, wo diese Fäden und Flocken herkämen, 
und machte sich allerlei wunderliche Vorstellungen davon. Jetzt weiß 
man gewiß, daß es lauter Gespinst ist von unzählig viel kleinen, schwarzen 
Spinnen, welche deßwegen Spinnen des fliegenden Sommers genannt 
werden. Da sieht man wieder, wie viel auch durch kleine Kräfte aus¬ 
gerichtet werden kann, wenn nur viele das Nemliche thun. Ein an¬ 
deres merkwürdiges Thier dieser Art lebt im südlichen Amerika und heißt 
Buschspinne. Diese nimmt nicht mit Stubenfliegen und Mücklein vorlieb. 
Nein, einer gewissen Art von Vögeln, den Kolibri, geht sie nach, greift 
sie an und zwingt sie, tobtet sie und saugt ihnen das Blut und die Eier 
aus. Worüber soll man sich am meisten verwundern, über die große 
Spinne oder über die kleinen Vögel?
	        
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