Full text: Realienbuch (Theil 2)

314 263. Leben der Christen in den ersten Jahrhunderten. 
auch wohl zur Nachtzeit iu Wüsten und Höhlen. Erst später 
baute manche Gemeinde ein eigenes Haus zu gottesdienstlichen 
Versammlungen und nannte es des Herrn Haus, auf griechisch 
Kyriäke! woraus unser deutsches Wort Kirche geworden ist. 
Bei diesen Zusammenkünften wurde ein Psalm gesungen, ein 
Abschnitt ans der heiligen Schrift gelesen, darüber geredet 
und gebetet. Jeden Sonntag und in gefährlichen Zeiten 
täglich wurde das heilige Abendmahl gefeiert, an dem die 
ganze Gemeinde theilnahm. 
Die Taufe geschah in der ersten Zeit der Verkündigung 
des Evangeliums an Erwachsenen nach vorhergegangenem 
Unterricht, und zwar durch völlige Untertauchung unter das 
Wasser. Nach der Taufe bekam der Täufling ein reines, 
weißes Gewand. Das sollte ihm andeuten, daß sein voriges 
sündliches Leben aufhören und ein neues, gottgeheiligtes 
Leben beginnen müßte. Diejenigen, die noch im vorbereitenden 
Unterrichte standen, hießen Katechnmenen. Aus Furcht, den 
Bund der Taufe durch Sünden wieder zu verletzen, verschob 
man die Taufe oft lange. Keiner wurde aber getauft, 
der nicht vorher überzeugende Beweise der Sinnesänderung 
gegeben hatte. 
Vor dem Abendmahle genossen die Christen ein gemein¬ 
schaftliches Mahl, das Liebesmahl genannt. Jeder brachte 
dazu ans seinem Hause Speise und Trank, und alles wurde 
gemeinschaftlich verzehrt. Der Reiche aß von dem Brode des 
Armen, und der Arme genoß die Speise des Reichen. Dieses 
Liebesmahl, welches die innige Verbindung der Christen unter 
einander darstellen und erhalten sollte, schloß mit dem Bruder- 
kusse. Bei der Feier des heiligen Abendmahls, die ganz nach 
der einfachen Weise der Einsetzung gehalten wurde, durfte 
kein Heide, nicht einmal ein Katechumene gegenwärtig sein. 
Das Gebet nannte man die Seele des Christenlebens und 
die Mauer des Glaubens. Die Christen waren nicht an 
festgesetzte Zetten zum Gebete gebunden. Doch hielten sie es 
für schicklich, Morgens und Abends und beim Genusse der 
Speisen zu beten. „Sollte der Leib sich laben und die 
Seele ohne Erquickung bleiben?" sagten sie. Am Tage des 
Herrn pflegte man stehend zu beten, weil der Herr an diesem 
Tage die Menschen wieder ausgerichtet habe aus Sünde und 
Noth; an den übrigen Tagen wurde meist knieend gebetet. 
Christliche Feste waren das Auferstehungsfest, dem zwei 
stille Tage zum Andenken an den Tod Jesu vorangingen, das
	        
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