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guckt hinein und baumelt mit den Beinen. Bald nickte er aber mit
dem Kopfe; denn er ist eingeschlafen.
Wer kommt um die Ecke am Gartenzaun? — Der Ziegenbock
ist's, ein muntrer Gesell, der seine Kopfarbeit wohl gelernt hat und
es mit Jedem darin aufnimmt; denn seine Hörner sind groß und
seine Stirn ist hart. Der tritt zu dem schnarchenden Buben und sieht
ihn nicken. „Hei", denkt er, „meinst du mich? ich bin schon dabei!"
Er stampft mit dem Vorderbein und geht einige Schritte zurück. Der
Junge nickt weiter. „Gleich!" meint der Bock, nimmt einen Anlauf,
bäumt auf den Hinterbeinen hervor und „Puff!" gibt's einen Stoß.
Der Bock an des Buben Kopf, der Bub' rückwärts hinunter vom
Stamm, das Buch empor, hoch in die Luft! Heulend rafft der Junge
sich auf und eilt in das Haus. Hat er keinen Buchstaben im Kopf,
hat er doch eine Beule daran. Der Bock steht aber verwundert im
Wege über den zu leichten Sieg und wartet, ob wieder ein Bub'
kommt, der Nichts gelernt hat und auf der Straße dann einschläft.
77. Die Kuh, öas Pferd, das Schaf und der Hund.
Eine Kuh, ein Pferd und ein Schaf standen auf einer Weide
zusammen und stritten unter einander, welches dem Menschen nützlicher
sei. Die Kuh sprach: „Von mir hat er die süße Milch, den wohl¬
schmeckenden Käse und die ölersetzende Butter". — Das Pferd: „Ich
bin der Wagen Segel und des Reiters Fittich". — Das Schaf:
„Ich gehe nackt und bloß, damit er bekleidet sei". Da kam der Hund
zu ihnen. Den blickten sie verächtlich von der Seite an, als ein, ge¬
gen ihre Wichtigkeit gehalten, unnützes Thier. Aber der Herr folgte
alsbald hinten nach, rief dem Hunde im freundlichsten Tone, streichelte
und liebkoste ihn. Da dies die Kuh und ihre^ Gefährten sahen, murrten
sie, und das Pferd nahm sich ein Herz^ur Frage: „Warum thust
du also, Gebieter? Verdienen wir nicht mehr deine Aufmerksamkeit,
wie dieses unnütze Thier?" — Aber der Herr streichelte seinen Hund
noch zärtlicher und sprach: „Nicht also; dieser hat mein einziges
geliebtes Söhnlein kühn und treu aus rauschenden Wafferfluthen ge¬
rettet, wie sollte ich nun seiner vergessen können?" H. ZoMofer.
78.
Die Lerche.
Seht die Lerche! sie steigt!
Hoch aus den himmlischen Räumen
Ruft sie den schlummernden Keimen
Hört die Lerche! sie singt!
Hoch in den bläulichen Lüften
Ueber den grünenden Triften
Tönet ihr Lied. Wie erklingt
Ihre melodische Brust
Uns zur Freude und Lust!
Seht die Lerche! sie schwingt
Lustig ihr braunes Gefieder,
Und auf die Knospen hernieder
Schaut sie freundlich und singt:
„Krönet das liebliche Grün!"
Und die Knospen erblüh'».
„Grünet! der Winter entfleucht!"
Und der Ernährerin Schooß
Schmücken Halme und Moos.