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und seinen beiden Kindern ein schönes und reiches Familienleben. Der einzige
Sohn, Prinz Friedrich Wilhelm, unser jetziger Kronprinz, der am 18. Oc-
tober 1831 geboren war, vermählte sich 1857 mit der Prinzessin Victoria,
der ältesten Tochter der Königin von England; die einzige Tochter, Prinzessin
Luise, ward die Gemahlin des Großherzogs von Baden.
Aber den guten und frommen König Friedrich Wilhelnr IV. traf eine
schwere Heimsuchung Gottes. Im October 1857 trat ein Hirnschlag ein, der
ihm auf einige Zeit das Bewußtsein raubte, aber auch für die folgenden Jahre
diesem sonst so wunderbar reichen Geiste die Klarheit trübte. Da mußte denn
der Prinz von Preußen die Stelle seines kranken königlichen Bruders vertreten
und als Regent einstweilen die schwere Aufgabe der Staatsrcgierung übernehmen.
Aber in dem körperlichen Befinden des Königs trat keine Besserung ein: in den
ersten Tagen des Jahres 1861 erlöste Gott ihn durch einen sanften Tod von
seinen schweren Leiden.
So mußte der bisherige Prinzregent noch in seinem 64. Lebensjahre den
preußischen Königsthron besteigen. Als König Wilhelm I. regiert er jetzt seit
dem Januar 1861. Zwar stand er schon damals, als er durch Gottes Rath-
schluß auf den Thron berufen ward, in einem Alter, wo den Menschen die volle
Manneskraft gewöhnlich gebrochen ist; aber Wahrhaftigkeit, Tapferkeit und Got¬
tesfurcht sind die Zierden und Stützen des königlichen Greises. Die zehn Jahre
seiner bisherigen Regierung sind so reich an unerhörten kriegerischen Erfolgen
und an segensvollcr Entwickelung der inneren Verhältnisse, daß kein früheres
Jahrzehnt der deutschen Geschichte dein letzten an die Seite gestellt werden kann.
Er ist der Wiederhersteller und Mehrer des Deutschen Reiches geworden: durch
ihn ist erfüllt, was von den Edelsten des Volkes seit langer Zeit ersehnt war.
Jin Jahre 1864 brachte er Klarheit und Entschiedenheit in das verwickelte
Verhältniß Schleswig - Holsteins zu Dänemark. Muthig vertrat er mit dem
Schwerte das Recht der Herzogthümer und löste sie aus den: mehr und mehr
unerträglich gewordenen Verbände mit einem undeutschen Staat; es war im
Wesentlichen sein Verdienst, daß diese schönen und reichen Provinzen Deutsch¬
land für immer zurückgegeben wurden. Aber noch herrlicher erprobte sich sein Muth
und die Kraft des von ihm neugeschaffenen Volksheeres in dem wunderbar glück¬
lichen und raschen deutschen Kriege von 1866: er wies Oesterreich seine
wahre und richtige Stellung zu unserem Vaterlande an und schuf zunächst in
der größeren nördlichen Hälfte desselben durch die Herstellung des Norddeutschen
Bundes einen so mächtigen Staat, daß der deutsche Stame wieder mit Achtung
und Ehrfurcht in der Welt genannt ward. Aber zu noch größeren Dingen hatte
Gott diesen frommen Streiter ausersehen. Die unruhigen und eifersüchtigen
Franzosen, von jeher unsere schlimmen Nachbaren, konnten den Gedanken nicht
ertragen, daß ihr Staat nicht mehr der mächtigste und gefürchtetstc in Europa
sei: unter den nichtigsten Vorwänden erklärte ihr Kaiser Napoleon III. un¬
serem friedliebenden König den Krieg; noch einmal mußte er, und diesmal zum
furchtbarsten Kampfe, das Schwert ziehen. Napoleon hatte Arges gegen Deutsch¬
land im Sinne, aber auch aus diesen bösen Anschlägen ging Glück für unser
Vaterland auf. Die süddeutschen Staaten vereinigten ihre Heere sofort mit
denen des Königs Wilhelnr: er selbst zog an ihrer Spitze hinaus, um den fre¬
velhaften Angriff abzuwehren. Und Gott war mit ihm. Unter unvergleich¬
lichen Siegen drang er tief in Frankreich hinein: aber mitten unter den schwer-
Baterländischcs Lesebuch. 4. Aufl. 0