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25. Kolumbus, der Entdecker Amerikas.
Wer weiß, dachte er, ob dieser Weg nicht kürzer ist, als der um Afrika herum?
Auch manche Erzählungen portugiesischer Seeleute schienen darauf hinzuweisen,
daß im Westen Land zu finden sei. Man habe, hieß es, zuweilen ungewöhnlich
großes Schilfrohr, künstlich bearbeitetes Holz, ja, einmal sogar zwei Leichname
von ganz eigentümlicher Körperbildung von Westen her übers Meer schwimmen
und ans Land treiben sehen. Es wurde daher der feurigste Wunsch des Kolumbus,
eine Entdeckungsfahrt nach Westen hin zu unternehmen. Zuerst machte er seiner
Vaterstadt Genua das Anerbieten und verlangte einige Schiffe. Allein man
erwiderte ihm: „Du bist ein Träumer", und wies ihn ab. Hierauf wandte er
sich an den König von Portugal; doch ebenfalls umsonst. Nun ging er nach
Spanien; aber auch hier dauerte es acht lange Jahre, bis der beharrliche Mann
mit seinem Vorhaben durchdrang. Endlich gab ihm die Regierung im Jahre 1492
drei kleine Schiffe und 90 Mann, um die große Reise anzutreten.
Voll kühnen Mutes fuhr nun Kolumbus ins wilde, unbekannte Meer hinaus.
Der Wind blies günstig, und pfeilschnell flogen die Schiffe dahin. Aber wo fand
sich das gesuchte Land? Sechzig Tage hatte die Fahrt schon gedauert, und noch
immer sah man nichts als die unendliche Wasserwüste ringsum und darüber die
weite Himmelsdecke. Da ergriff Angst auch die Beherztesten unter den Schiffs¬
leuten. „Was soll aus uns werden?" fragten sie zitternd. „Er führt uns in
den gewissen Untergang." Nur Kolumbus verlor keinen Augenblick den Mut.
„Seid getrost", ries er den Verzagten zu, „bald ist das Ziel erreicht." Und
unermüdet stand er Tag und Nacht auf dem Verdeck und beobachtete und leitete
alles. Aber endlich versagte ihm, wie die Sage berichtet, die verzweifelnde Mann¬
schaft den Gehorsam. In wilder Wut stürzen die Matrosen auf ihn los und
drohen ihn über Bord zu werfen, wenn er nicht alsbald umkehre. „Nur noch
drei Tage fordere ich", erwiderte Kolumbus, „sehen wir dann kein Land, so
fahren wir heimwärts." Das nahmen die Empörten an. Und siehe, schon am
folgenden Tage erreichte das Senkblei den Meeresgrund; Rohr und ein Baumast
mit roten Beeren schwammen auf sie zu, und Landvögel flogen auf die Masten.
Die Sonne ging unter; noch sah man nichts. Doch ließ Kolumbus die Segel ein¬
reffen, um nicht etwa bei Nacht aus Klippen getrieben zu werden. Gegen Mitter¬
nacht erblickte man ein Licht in der Ferne. „Land, Land!" erscholl es jetzt aus
jeder Brust; man stürzte einander in die Arme, alle weinten vor Freude und baten
knieend den Kolumbus um Verzeihung. Als der Morgen anbrach — es war am
70sten Tage nach der Abfahrt —, sahen sie eine schöne grüne Insel vor sich liegen.
Mit Sonnenaufgang ruderten sie unter kriegerischer Musik ans Land; Kolum¬
bus, eine Fahne in der einen Hand, einen Degen in der andern, war der erste,
der die neue Welt betrat. Nachdem er mit der ganzen Mannschaft Gott aus den
Knieen gedankt, nahm er die Insel feierlich für den König von Spanien in Besitz.
Die Inselbewohner, welche von allen Seiten am Ufer zusammengeströmt waren,
betrachteten mit Erstaunen die weißen Männer, ihre Kleidung, Schiffe und Waffen.
Niemals hatten sie solcherlei gesehen. Sie selbst waren nackt, von kupferroter Haut¬
farbe; viele trugen als Zierat Goldbleche in Nase und Ohren. Ihre Insel nannten
sie Guanahani; Kolumbus aber gab ihr den Namen San Salvador d. i.
Erlöserinsel. Nach kurzem Verweilen setzte er dann seine Entdeckungsfahrt weiter
fort und fand die großen Inseln Cuba und Haiti (Santo Domingo). Sie