60. Der Brand von Hamburg. 1842.
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anhaltende Dürre die Häuser ausgetrocknet, hierzu kam, daß auch die Fleete
fast leer an Wasser waren, und das wenige, was sie enthielten, war noch mit
vielem hineingelassenen Öl und andern brennbaren Flüssigkeiten gemengt, was
dem Feuer nur eine neue Nahrung gab. Um 1 Uhr war die Nikolaikirche
erreicht; die roten und grünen Flammen des Turms loderten hoch über die
Spitze empor, am Nachmittag stürzte er teils in sich zusammen, teils auf das
Kirchendach und auf schon niedergebrannte Häuser. In diese Kirche waren sehr
viele Sachen getragen; wie nun das Schiff derselben zu brennen anfing, so
verbreitete das eine solche Glut, daß au Rettung der umstehenden Gebäude gar
nicht mehr zu denken war. Die flüchtigen Bewohner stürzten in der höchsten
Todesangst nach allen Seiten, aber sie wurden auch gehemmt von allen Seiten
durch angehäufte Sachen; dazu schwankten die Häuser, ein furchtbarer Feuer¬
regen fiel nieder, und Kanonen rasselten durch die Straßen, um noch nicht
ergriffene Häuser niederzuschießen und Lücken zu machen. Vornehme Leute
und selbst Damen zogen Handwagen, um Gerettetes fortzuschaffen, standen
sogar mit an den Spritzen, um die ermüdete Mannschaft zu unterstützen.
Angst und Verwirrung hatten allen Unterschied zwischen Menschen aufgelöst.
Doch was versuchen wir eine Beschreibung des Unbeschreiblichen! Es
wüteten die Flammen fortwährend und wuchsen in ihrer Macht mit jeder
Stunde; denn auch der Wind war ihr Geselle in der Zerstörung. So fehlte
es auch an Menschen nicht, welche einbrachen, wegnahmen, zerschlugen und
sich wie Teufel gebärdeten.
Das Feuer brannte, unausgehalten durch Spritzen und Sprengungen,
bis in die Nacht aus den 8ten; nur dann und wann gelang es der Menschen¬
macht, ein Gebäude zu retten. Am Freitagabend wurde das große Eimbecksche
Haus ergriffen, dadurch eine Feuersäule entstanden ist, die bis in die Nordsee
hineingeleuchtet hat, wie denn das Feuer auf 50 bis 60 km weit gesehen wor¬
den ist, und selbst angebrannte Papiere, seidne Stoffe, Tapetenstücke soweit vom
Winde getragen sind. Jetzt stand auch die Petrikirche in Gefahr. Vergebens
schmetterte eine Batterie Zwölfpfünder mehrere Häuser nieder, um diese älteste
Zierde Hamburgs zu retten; neun Uhr schlug es am Sonnabendmorgen zum
letztenmal vom Petriturm nach vorausgegangenem Glockenspiel, der Turm
brannte, stand als eine Fackel da, lösete sich ab und schlug nach unten gekehrt
mit der Spitze in die Erde fast 4 m tief. Bis in die Nacht zwischen Sonn¬
abend und Sonntag ging das Feuer bald in dieser, bald in jener Richtung,
der Sturm trieb die Flammen unaufhaltsam vorwärts. Da erbarmte sich
Gott und sprach am Sonntagmorgen: Nur soviel und mehr nicht. Ein
mächtiger Regen hatte das Vordringen der Flammen geendigt.
Ein Drittel der reichen und schönen Handelsstadt war verheert; über
21000 Menschen waren ohne Obdach. In der Feuersbrunst kamen mehr
als 60 Personen um; verwundet wurden 107.
Aber große Not — große Hilfe. Die Kunde von einem so ungeheuren Un¬
glück weckte allgemeine Teilnahme; die Herzen der Menschen öffneten sich der Bru¬
derliebe. Mehr als 6 Millionen Mark wurden aus allen Gegenden Deutsch¬
lands zusammengesteuert, um die Not der Bedrängten zu lindern; bald stand
Hamburg schöner und großartiger da, als es vorher gewesen war. Kl. Harms.