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aber finstre Nacht umgab mich. Ich lag wie in einem kleinen Sarge.
Da bemerkte ich, daß meine Hülle etwas nachgab, wenn ich mich vor¬
sichtig bewegte. Endlich gelang es mir, mein Gefängnis zu sprengen,
und ich kroch hinaus.
Als ich meine Augen öffnete, erstaunte ich, wie sehr mich der
liebe Gott verwandelt hatte. Meine sechs Beinchen waren weit länger
geworden; am Kopse trug ich zwei gerollte Hörnchen, die ich zierlich
bewegen konnte, und ans dem Rücken waren mir zwei Mäntelchen ge¬
wachsen, die ich nach Belieben zu heben und zu senken vermochte.
Eben freute ich mich über diesen neuen Schmuck, da schnellten unter
den braunen Mänteln zwei lange, feine Flügel hervor. Als ich an
die Oberfläche der Erde kam und die Flügel frei bewegte, hoben sie
mich hoch in die Luft. Hei, das war ein Vergnügen! Ich tummelte
mich lustig umher, doch flog ich leider in meiner Ungeschicklichkeit
gegen ein Fenster. Kleine Hände fingen mich, ließen mich aber zum
Glück bald wieder los. Die Kinder sangen dabei: „Maikäfer, flieg,
Maikäfer, flieg!"
Ich ließ mir das nicht zweimal sagen und flog vergnügt ins Freie.
Schnell ging es einem nahen Baume zu, und dort labte ich mich mit
vielen meiner Kameraden an den saftigen Blättern."
Nach Pilz.
75, Die Schnecke.
1. Woher haben wohl die Schnecken ihr niedliches Häuschen?
Laß dir's erzählen!
Die alte Schnecke hat viele kleine Eier an den feuchten Moos¬
rasen gelegt. Die Sonne brütet die Eier aus, und aus jedem kriecht
eine winzig kleine Schnecke mit einem ebenso kleinen Häuschen. Aber
die Schnecke wächst weiter, und das Haus wird ihr zu klein. Da
streckt sie ihre Angen bedächtig aus, die ans der Spitze der beiden
größeren Fühler stehen. Sie schaut nach Nahrung und kriecht zum
saftigen Rasen, zum bunten Blümchen. In ihrem Munde hat sie
eine Zunge und an dieser eine Reibplatte mit mehreren Reihen sehr
kleiner, aber scharfer Zühnchen. Damit beißt sie die kleinen Blätter
ab, zerreibt und verzehrt sie. In ihrem Körper verwandeln diese
sich in einen glänzenden Schleim, mit dem sie sich festhält, wenn sie
kriecht. Eben aus diesem Schleim baut sie auch ihr Häuslein, all¬
mählich, einen Ring nach dem andern, bis eine neue Windung fertig
ist. Die neuen Windungen werden größer und größer, so wie sie