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Batterien zertrümmert, die Mauern zerbrochen sah, erließ er den Befehl zum allge¬
meinen Sturme. In der Nacht sollten die Zubereitungen geschehen. Die Christen
sahen weithin an den Gestaden unzählige Wachtfeuer lodern und das Meer von
vielen tausend Leuchten heranrudernver Schiffe glänzen; ein großes prachtvolles,
aber schreckliches Unglück weissagendes Schauspiel! ■—- Dazu der dumpfe Ton der
fich bewegenden und drängenden Heerschaaren, das tausendfache Klirren der Waffen,
— und bald — mit dem ersten Morgenstrahle — der laute Donner des Geschützes,
das Geprassel hundertfältiger Zerstörungswerkzeuge und das hunderttausendstimmige
Schlachtgewühl blutdürstiger Krieger.
Nicht unvorbereitet waren die Griechen, der wachsame Konstantin hatte der
Feinde Bewegungen erspäht. Er rief in der Mitternachtsstunde seine Verwandten,
seine Freunde und die edelsten der Nation auf die Burg, um seine eigne Todesver¬
achtung in ihre Seele zu hauchen. Er beschwor sie bei Roms heiligem Namen und
bei den großen Erinnerungen, die ihn umschwebten; er hieß sie, das Urtheil der
Welt und Nachwelt scheuen; zeigte ihnen, daß dieses die Stunde sei, die über ihr und
der Ihrigen Leben, Freiheit und Glück, über des Reiches Fortdauer oder Zerstörung
unwiderruflich entscheiden müsse, und was demnach Religion, Pflicht und Ehre von
ihnen, als Christen, Bürgern und Männern heische. — Sie umarmten sich, weinten,
schwuren zu sterben fürs Vaterland, und jeder ging an seinen Posten, mit dem Ent¬
schlüsse, des römischen Namens würdig zu bleiben. Aber der Kaiser, in dessen
Gemüth die Hoffnung erloschen war, die er bei seinen Freunden zu entzünden gesucht
hatte, begab sich in den Sophientempel, um daselbst, nach der religiösen Stimmung
seiner Zeiten, das heilige Abendmahl zu empfangen; und von da flog er auf den
äußersten Wall, um unter seinen Bürgern bis zum letzten Augenblicke die Pflichten
des Feldherrn und des gemeinen Reiters zu erfüllen und dann zu sterben. — „Die
Noth und der Fall des letzten Constantins," sagt ein vortrefflicher Schriftsteller,
„sind glorreicher, als all' seiner Vorfahren Herrlichkeit und Glück." —
Und schon hatte der ungleiche Kampf begonnen, schon war der Tod umher¬
gegangen unter tausend Gestalten, Land und Meer rötheten sich von Blut. Doch
was bekümmert dies den Sultan? — Er hatte Streiter genug, um mit ihren Leichen
die tiefen Gräben Constantinopels zu füllen und dann erst über sie hin den Weg
zum Siege zu betreten. Noch waren — nach zweistündigem Gemetzel — die Grie¬
chen von keinem Punkte gewichen; aber ihr Arm fing an, vom Schlachten müde zu
werden, und jetzt führte M ohamed den Kern seiner Truppen, die schrecklichen Ja-
nitscharen, frisch in den Sturm. In diesem verhängnißvollen Augenblick wurde der
tapfere und kriegskundige Juft iniani, Befehlshaber der kleinen abendländischen
Hülfsschaar, und vom Kaiser zum Oberanführer des ganzen Heeres erhoben, von
einem Pfeile verwundet. Gewohnt, dem Tode zu trotzen, konnte er doch dem Schmerz
seiner Wunde nicht widerstehen; er floh gegen die Stadt, um sich verbinden zu lassen.
Da rief der Kaiser, dessen Blicke überall waren, ihm zu: „Freund! deine Wunde ist
leicht, die Gefahr dringend; du bist hier nothwendig, und wohin willst du fliehen?"
■— „Hierdurch will ich mich retten, wo Gott selbst den siegreichen Türken den Weg
gebahnt hat" — sprach der vom Schmerz besiegte Mann, und drängte sich durch
einen Riß der Mauer in die Stadt. Viele seiner Landsleute folgten ihm, und —
Constantinopel war verloren. Uebermannt, zurückgedrängt von den Außenwerken,
flohen die Griechen gegen die innere Mauer; schon wehte der Turban von mehreren
Thürmen, schon vernahmen die zitternden Bürger das triumphirende „Allah" und
ach! schon war Constantinopel nicht mehr! — Nur wo Er stand, war noch ein
Kampf gewesen. Die Edelsten und Besten seines Volkes drängten sich um ihn;
er bat sie, ihn zu tobten, daß er nicht lebend in der Ungläubigen Hände falle, und
warf den Purpur weg, um unerkannt unter seinen Mitstreitern zu fallen. Alle