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Da trat der Ratsdiener herein und sagte mitleidig: „Herr
Senator, den Lehnsessel soll ich holen."
Herr Hermann seufzte, und Thränen traten in seine Augen.
In diesem mit grünem Sammet beschlagenen Lehnsessel war sein
seliger Vater sanft entschlafen, und er war darum als ein Heiligtum
im Hause gehalten. Doch nun wurde er hinausgetragen, und
die ganze Familie folgte ihm nach, als könnte sie sich nicht von
ihm trennen.
Der Versteigerer rief: „Ein noch guter Lehnsessel, mit Sammet
beschlagen!" — und eine lange Pause folgte, weil sich alle Blicke
nach der jammernden Familie wandten. Endlich bot jemand
darauf vier Mark, und der Versteigerer rief missmutig: „Also
vier Mark zum ersten!"
In diesem Augenblicke rief eine starke Bassstimme zum offen
stehenden Fenster hinein: „Vierhundert Mark zum ersten!"
Alles staunte; der Hund drängte sich gewaltsam und freudig
bellend vor das Haus. Jetzt trat ein Mann in Schiffertracht ins
Zimmer und rief nachdrücklich, indem er mit seinem spanischen
Rohre auf den Tisch schlug: „Vierhundert Mark zum andern-,
zum dritten- und letztenmal!"
„Gott, unser Jansen!" rief Herr Hermann und fiel ihm um
den Hals. Der aber fuhr fort: „Ja, ich biffs, und unser Schiff
liegt voll Gold und Maren im Hafen. Die Versteigerung ist aus!
Fort jetzt, ihr alle! Morgen kommt aufs Rathaus; da soll alles
samt den Zinsen bezahlt werden! Denn wissen sollt ihr: Unser
Herrgott lebt noch! und das Haus Hermann Gruit van Steen
steht noch! — und nun erst seid freudig begriffst in der Heimat,
mein Herr Hermann und Frau Elisabeth, von Eurem alten Jansen!"
Nach K. Barth.
139. Schäfers Sonntagslied.
1. Aas ist Ser Gag des Kerrn!
Ich bin allein auf weiter Iffur,
noch eine Worgengl'ocke nur;
nun Stille nah und fern.
2. Anbetend knie' ich hier.
G füßes Graun! Geheimes Weh'n!
Als knieten viele ungefehn
und beteten mit mir.