Full text: Lesebuch für ein- und zweiklassige Volksschulen

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sein Pferd am Zaume fest, bis die Wölfe herankamen; dann überließ 
er's ihnen zur Bente. 
Es schien, als sollten sie dadurch einen Vorsprung gewinnen; aber 
nicht lange, so war ein Teil der Wölfe wieder heulend hinter ihnen 
her, und einige schickten sich an, in den Schlitten zu springen. Der 
Edelmann hielt sich jetzt für verloren. Da sagte Jakob: 
„Herr, nun will ich in Gottes Namen auch das Letzte noch für 
Euch thun. Dort sind schon die Lichter von Ostrowo, und Ihr könnt 
das Städtchen erreichen, wenn ich nur auf ein paar Minuten die 
Bestien Euch vom Halse halte. Sorgt für mein Weib und meine 
Kinder; lebt wohl und denkt manchmal an den armen Jakob!" 
Damit zog er den Säbel, sprang ans dem Schlitten und stürzte 
sich mitten unter die Wölfe. Diese stutzten, fielen ihn aber dann 
wütend an und übermannten ihn. 
3. Sein Herr war mittlerweile unversehrt entkommen. Schnell 
nahm er Leute mit sich und eilte in den Wald zurück. Aber er fand 
nichts mehr als die Gebeine seines treuen Knechtes. Diese sammelte 
er und ließ sie begraben. Das Weib und die Kinder aber versorgte 
er väterlich und wurde allen seinen Dienern ein freundlicher, gütiger 
Herr, beklagte es auch oft mit Thränen, daß er nicht ohne bittere 
Nene an seinen treuen Knecht denken könne. K. H. Caspar!. 
26. Das brave Mütterchen. 
1. Es war im Winter, und das Eis stand. Da beschlossen 
die Husumer, ein grosses Fest zu feiern. Sie schlugen Zelte auf, 
und alt und jung, die ganze Stadt versammelte sich draussen. Die 
einen liefen Schlittschuh, die andern fuhren in Schlitten, in den 
Zelten erscholl Musik; Tänzer und Tänzerinnen schwenkten sich 
herum, und die Alten safsen an den Tischen und tranken eins. 
So verlief der Tag, und der helle Mond ging auf; aber der Jubel 
schien nun erst recht anzufangen. 
2. Nur ein altes Mütterchen war von allen Leuten allein in 
der Stadt geblieben. Sie war krank und gebrechlich und konnte 
ihre Füsse nicht mehr gebrauchen; aber da ihr Häuschen auf dem 
Deiche stand, konnte sie von ihrem Bett aus aufs Eis hinaus 
sehen und die Freude sich betrachten. Als es nun gegen den 
Abend ging, da gewahrte sie, indem sie auf die See hinaus sah, 
im Westen ein kleines weifses Wölkchen, das eben am Horizonte 
aufstieg. Gleich befiel sie eine unendliche Angst; sie war in
	        
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