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suchte die deutsche Jugend durch Turn- und Fechtübungen zu dem
bevorstehenden Kampfe abzuhärten und geschickt zu machen. Der be¬
rühmte Lehrer an der 1810 gegründeten Berliner Universität, Schleier-
macher, lehrte und predigte, daß die Religion nicht in äußeren Formen,
sondern in der Hingabe des Herzens an Gott bestehe.
So wurde Preußens Wiedergeburt vorbereitet. Zum größten Leid
wesen des Königs und des ganzen Volkes erlebte die Königin Lnise,
die so sehr an dieser Neubelebung mitgeholfen hatte, die Früchte all
der Bemühungen nicht mehr: sie starb schon am 19. Juli 1810: das
Unglück des Vaterlandes hatte ihr Herz gebrochen.
Die Zeit der Freiheitskriege, 1813 und 1814, zeigte den
neuen Geist im glänzendsten Lichte. Wie hofsnungsfreudig klingt der
Aufruf des Königs (17. März 1813) „An mein Volk," in dem es
heißt: „Bleibet eingedenk der Güter, die unsere Vorfahren blutig er¬
kämpften, Gewissensfreiheit, Ehre, Unabhängigkeit, Handel, Kunstfleiß
und Wissenschaft. Gedenkt des großen Beispiels unserer mächtigen
Verbündeten, gedenket der Spanier und Portugiesen; erinnert euch an
die heldenmütigen Schweizer und Niederländer. Große Opfer werden
von allen Ständen gefordert werden: ihr iverdet dieses lieber bringen
für das Vaterland, für euren angeborenen König, als für einen fremden
Herrscher. Vertrauen auf Gott, Ausdauer, Mut und der mächtige
Beistand unserer Bundesgenossen werden unseren redlichen Anstrengungen
siegreichen Lohn gewähren. Aber welche Opfer auch von einzelne»
gefordert werden mögen, sie wiegen die heiligen Güter nicht auf, für
die wir sie hingeben, für die wir streiten und siegen müssen, wenn
wir nicht aufhören wollen, Preußen und Deutsche zu sein."
Die Hoffnung wurde nicht getäuscht; der fremde Unterdrücker
wurde besiegt. Die Kämpfe und Siege bei Großgörschen, an der
Katzbach, bei Großbeeren, Dennewitz und Leipzig werden ewig unver¬
gessen sein. Und als Blücher am 31. März 1814 in Paris ein
gezogen und Napoleon 1815 bei Waterloo znin letztenmale besiegt
worden war, hatte man ein freies Vaterland.
Friedrich Wilhelm regierte von 1815 ab noch 25 Jahre und hat
noch manche Einrichtung zum Segen seines Volkes getroffen. Die Ver
waltung des Geldwesens war über alles Lob erhaben. Auf dem ge
werblichen Gebiete wurden Erleichterungen geschaffen, die zur Hebung
der Gewerbe beitrugen. Straßen wurden gebaut, Dampfschiffahrt und
Eisenbahnen eingeführt, so daß Handel und Verkehr einen bedeutenden Auf¬
schwung nahmen. Die Gründung des preußisch-deutschen ZolO
Vereins am 1. Januar 1834 war ganz besonders geeignet, Handel und
Verkehr zu heben, wie schon daraus hervorgeht, daß die Einnahmen des
Zollvereins von 1834 bis 1841 von 36 auf 63 Millionen gestiegen waren.
Zìi seiner Zeit erfanden die Professoren Gauß und Weber in Güt¬
tingen den Telegraphen, lind der Schlosser Dr eh se in Sömmerda
erfand das Zündnadelgewehr.
Das Königreich wurde in 8 Provinzen eingeteilt. Als Volks-
vertretung führte der König die Provinzialstände ein.