Full text: Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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vor allem aber die geistigen; denn der Geistesarbeit verdanken wir die 
zahllosen Hilfsmittel, welche die menschliche Thätigkeit in so wunder¬ 
barer Weise unterstützen. Beim Ackerbau und noch mehr beim Gewerbe 
steigern sich die Anforderungen, die an die geistige Ausbildung des 
Arbeiters gestellt werden. Obgleich nur die einzelnen Berufsarten 
besondere Kenntnisse voraussetzen, so ist doch für jeden, der sein Brot 
einmal verdienen will, die Aneignung einer gründlichen Schulbildung 
unerläßlich. Nicht minder wichtig ist die rechtzeitige Übung und Ent¬ 
wicklung der körperlichen Kräfte und Fähigkeiten. Man kann mit 
Recht behaupten, daß der gewaltige Aufschwung der Gewerbsamkeit 
nicht zum geringsten Teile eine Frucht der Verallgemeinerung des 
Unterrichts ist. 
Neben der Bildung ist die sittliche Tüchtigkeit des Arbeiters in 
Hinsicht auf seine Arbeit von höchster Wichtigkeit. Gelangt der Arbeiter 
durch die Religion zu der Überzeugung, daß die Arbeit eine Notwendig¬ 
keit, ein Gesetz der sittlichen Weltordnung ist, dann wird er in der 
Arbeit nie eine drückende Last sehen; er wird aber auch nicht vergessen, 
daß es für den Menschen noch höhere Ziele giebt, als die Befriedigung 
der Bedürfnisse. 
Wie sehr der sittlich tüchtige, charakterfeste und zuverlässige Arbeiter 
geschätzt wird, das sehen wir alle Tage. Fleiß, Ordnung und Spar¬ 
samkeit erhöhen die Arbeitsfähigkeit in wunderbarer Weise, während 
ein müßiges, unordentliches und ausschweifendes Leben die schönsten 
Gaben vernichtet und den leiblichen und sittlichen Untergang herbeiführt. 
Nach Dr. Moormeister. 
93. Arbeitsteilung und Arbeitsvereinigung. 
Die Fähigkeiten der Menschen, wie sie sich hei der Arbeit äufsern, 
sind ungleich. Diese Ungleichheit äussert sich auch in der Neigung 
und Anstelligkeit des einen zu dieser, der anderen zu jener Be¬ 
schäftigung. Infolge dieser Ungleichheit waren die Menschen von 
jeher bei der Hervorbringung der wirtschaftlichen Güter auf 
gegenseitige Unterstützung angewiesen. Am frühesten und natür¬ 
lichsten tritt die Arbeitsteilung in der Familie hervor. Während 
Robinson alle seine Bedürfnisse unmittelbar durch eigene Arbeit 
befriedigen musste, finden wir schon bei der rohesten Indianer¬ 
familie, dass der Mann ausser dem Kriegswesen noch das Jagen 
und Fischen, die Verfertigung der Waffen und Kanoes besorgt. 
Die Weiber hingegen müssen das Wild zubereiten, Holz holen, 
Felle gerben, Kleider nähen, die Wigwams*) bauen und erhalten. 
Hier findet sich also eine wesentliche Teilung der Arbeit zwischen 
Mann und Frau bei der Herstellung der notwendigsten Lebens¬ 
bedürfnisse, Nahrung, Kleidung, Wohnung. Mit der Entwicklung 
der Familie zum Stamme, des Stammes zum Volke setzt sich die 
Arbeitsteilung in mannigfacher Weise fort, und aus den genannten 
häuslichen Verrichtungen werden besondere Handwerke und Ge¬ 
*) spr. uiguem = Indianerhüttc. 
Schanze, Lesebuch. 5. Anst. 
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