Zweiter Teil.
Grsellenleben.
I. Sfiirfip (iifsiriifii Insiasfs.
a) Von Treue und Freundschaft.
54. Die Snryschast.
1. Zu Dionys, dem Tyrannen,
schlich
Dämon, den Dolch im Gewände;
ihn schlugen die Häscher in Bande.
„Was wolltest du mit dem Dolche,
sprich!"
entgegnet ihm finster der Wüterich. —
„Die Stadt vom Tyrannen befreien!"
„Das sollst du am Kreuze bereuen."
2. „Ich bin," spricht jener, „zu
sterben bereit
und bitte nicht um mein Leben;
doch tvillst bii Gnade mir geben,
ich stehe dich um drei Tage Zeit,
bis ich die Schwester dem Gatten
gefreit;
ich lasse deu Freund dir als Bürgen,
ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen."
3. Da lächelt der König mit arger
List
und spricht nach kurzem Bedenken:
„Drei Tage will ich dir schenken;
doch wisse, tvenn sie verstrichen, die
Frist,
eh' du zurück mir gegeben bist,
so muß er statt deiner erblassen,
doch dir ist die Strafe erlassen."
4. Und er kommt zum Freunde:
„DerKönig gebeut,
das; ich am Kreuz mit dem Leben
bezahle das frevelnde Streben;
doch will er mir gönnendreiTage Zeit,
bis ich die Schwester dem Gatten
gefreit;
so bleib' du dem König znm Pfande,
bis ich komme, zu lösen die Bande."
5. Und schweigend umarmt ihn der
treue Freund
und liefert sich aus dem Tyrannen;
der andere ziehet von dannen.
Und ehe das dritte Morgenrot scheint,
hat er schnell mit dem Gatten die
Schwester vereint,
eilt heim mit sorgender Seele,
damit er die Frist nicht verfehle.
6. Da gießt unendlicher Regen herab,
von den Bergen stürzen die Quellen,
und die Bäche, die Ströme schwellen,
und er kommt ans Ufer mit wandern¬
dem Stab,
da reißet die Brücke der Strudel
hinab,
imb donnernd sprengen die Wogen
des Gewölbes krachenden Bogen.