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los zu erhalten suchen muß. Nun soll es deshalb noch nicht ver-
wehrt sein, des Wechsels sich als Aushilfsmittel zu bedienen, da
nicht jeder zu jeder Zeit in der Lage ist, über die notwendigen Bar¬
mittel verfügen zu können; aber dieses Aushilfsmittel soll seinen
Charakter streng bewahren, es soll durch vorhandene, wenn auch
nicht sofort flüssigeMittel gedeckt fein, so daß kein unliebsamer, unvor¬
hergesehener Zwischenfall, beispielsweise kein unerwarteter Ein-
nahmeaussall, den Fälligkeitstag zum Augsttage macht und Zah¬
lungssorgen als unangenehme Begleiterscheinungen auftreten läßt!
Wer erst einmal den ersten Schritt auf dieser abschüssigen Bahn
getan hat, der wird sich auch bald zu dem zweiten verleitet fühlen;
für den verliert die Wechselverbindlichkeit nach und nach jede ernste
Bedeutung. Er unterschreibt gedankenlos und unterschreibt weiter,
ohne sich vorläufig Sorgeu zu machen, wo das Geld Herkommen
soll, und ob es auch pünktlich zur Stelle ist. Da nun kein einziger
seiner Lieferanten in der Lage ist, die Zahlungen über Gebühr
hinausschieben zu lasseu, so ergibt sich für ihn, dem leichtsinnigen
Wechselschuldner gegenüber, die Notwendigkeit, gleich von vorn¬
herein die Zinsen bei seinen Warenpreisen in Anrechnung zu bringen,
oder doch, wenn das der Konkurrenz wegen nicht geht, sich sonst¬
wie schadlos zu halten. Kommt aber ein neuer Lieferant in Frage,
der zum erstenmale einen Auftrag erhält, und der sich vorher selbst¬
verständlich bei einem Auskunftsbureau nach der Kreditwürdigkeit
des Bestellers erkundigt, so wird er, wenn er hört, daß dieser viel
in Wechseln arbeitet, sich sehr bedenken, ob er überhaupt mit dem
Betreffenden in Geschäftsverbindung treten soll. Tut er es den¬
noch, so geschieht es ganz sicher unter großen Vorsichtsmaßregeln,
die natürlich auch wieder das Konto des „Wechselfreundes" erheb¬
lich belasten.
Wir sehen daraus, daß es immerhin sehr bedenklich ablaufen
kann, wenn jemand, dessen Kredit nicht auf ganz festen Füßen steht,
sich des Wechsels als Zahlungsmittel bedient. Am gefährlichsten
ist es aber stets dort, wo überhaupt Barmittel nicht genügend mehr
vorhanden sind und an ihre Beschaffung zum Fälligkeitstage im
Ernste nicht zu denken ist. Auch das kommt oft genug vor! Hier
haben wir es aber mit einem geradezu strafbaren Leichtsinn zu
tun. Leichtsinn, weil der Wechselschuldner mit Zufällen außer¬
gewöhnlicher Art rechnet, die in einem solchen Falle gewöhnlich
regelmäßig ausbleiben, und weil er nicht daran denkt, daß das
Wechselverfahren dermaßen kurz ist, daß ihm binnen wenigen
Stunden Luft und Leben abgeschnitten werden kann. Strafbar ist
dieser Leichtsinn aber schon aus den angeführten Gründen, wenn
auch der Dolus, den das Strafgesetzbuch verlangt — das bei Aus¬
stellung eines Wechsels vorhandene Bewußtsein, am Fälligkeitstage
nicht zahlen zu können — nicht immer nachweisbar ist.
Wir haben ja auch Handwerksmeister, die aus Prinzip keinen
Wechsel unterschreiben; weniger weil sie ihn nicht anzuwenden ver¬
stehen, als darum, weil sie eine geheime Scheu davor empfinden.