357
d. h. ob der Besteuerte für seine Steuern wirklich einen Nutzen
erwirbt. Da wir gesehen haben, daß die Abgaben zum Bestehen
des Staates notwendig sind, so wird die Frage heißen: bringt der
Staat Nutzen? Diesen wird Wohl niemand leugnen. Der Staat
sichert dem Bürger das Eigentum, gewährt ihm schütz gegen Un¬
gerechtigkeit und Unterdrückungen, befördert den Verkehr, durch den
der Wohlstand wächst, sorgt für die Bildung des Volkes, wahrt die
Interessen des Handels und des Verkehrs gegen das Ausland u. s. w.
An diesem allgemeinen Nutzen, den der Staat stiftet, hat jeder
einzelne Anteil, wenn er freilich auch nicht imstande ist, solchen
Nutzen nach dem Gelde zu berechnen. Überhaupt bemerken wir die
Vorteile gar nicht, die der Staat gewährt, weil wir von Jugend
auf gewöhnt sind, sie zu genießen. Die Vorteile des Staates aber
fallen recht in die Augen, wenn man die Staaten unter einander
vergleicht und sieht, aus welcher Höhe der Wohlstand in einem
wohlgeordneten Staate steht, verglichen mit anderen, die in ihrer
Entwicklung noch zurück sind. Vergleichen wir z. B. den türkischen
Staat mit dem Deutschen Reiche, so fällt der Unterschied klar in
die Augen. Während dort weder für die Volksbildung, noch für
die Förderung der Kultur, noch für gute Gesetze genügend gesorgt
wird, noch die vorhandenen Gesetze kräftig gehandhabt werden,
und die Untertanen der Willkür weniger Beamten preisgegeben
sind, bewegt sich in Deutschland alles im Kreise gesetzlicher Ordnung.
Noch einen anderen, untergeordneten Nutzen der Staatsaus¬
gaben und also der dadurch notwendigen Steuern wollen wir er¬
wähnen. Dies ist der Umlauf eines bedeutenden Kapitals. ,,Pe-
stände der Staat nicht, oder könnte er ohne Ausgaben bestehen,
so würde das Kapital, das durch die Ausgaben in Umlauf gesetzt
wird, nicht in den Verkehr kommen, wodurch für Handel und Ge?
werbe ein bedeutender Ausfall entstände; denn es ist ja bekannt,
daß der Staat alles, was er einnimmt, auch wieder ausgibt, daß
das ganze Ausgabesystem also eigentlich nur dazu dient, ein großes
Kapital in Umlauf zu setzen. Wenn der Gewerbetreibende oder
Ackerbauende keine Abgaben zu zahlen hätte, so ersparte er aller¬
dings jährlich eine gewisse Summe; allein er würde dann auch um
so weniger verdienen. Das Wesentliche der menschlichen Gesellschaft
hesteht aber darin, daß einer für den anderen arbeitet und nicht
genötigt ist, sich alle Bedürfnisse des Lebens selbst zu schaffen. Der
Landmann sorgt für den Anbau des Getreides und für die Viehzucht,
der Handwerker für die Bedürfnisse des Hauses, der Arzt für die
Gesundheit des Leibes, der Geistliche und Lehrer für das moralische
Fortschreiten, der Jurist für die Aufrechterhaltung der Gesetze u.s.w.
So arbeitet immer einer für den anderen, jeder schafft auf seiner
Stelle Nutzen, und diese Gegenseitigkeit der Leistungen ist es eben,
was die fortschreitende Bildung des Menschen befördert. — Der
Staat aber ist es, der diese Gegenseitigkeit ordnet und erhält. So
werden allerdings die Beamten von den Abgaben der Gewerbe¬
treibenden besoldet, allein diese müssen ihre Besoldung für die Be-