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Aber noch eins ist merkwürdig. In den gewöhnlichen Geißlerschen
Röhren folgt das rote Licht von der Anode aus allen möglichen
Krümmungen und Windungen derselben. Bei den Röhren nach Hittvrf-
Crookes dagegen geht das blaue Kathodenlicht stets geradlinig Zweiter,
unbekümmert darum, wo die positive Elektrode angebracht ist. Unsere
Figur zeigt solchen Fall. Oben rechts ist die negative Kathode,
unten die positive Anode. Die punktierten Linien sind Kathoden¬
strahlen, die rechts oben, wo sie das Glas treffen, grünliche Phosphores¬
zenz erregen. Professor Röntgen experimentierte nun mit solchen
Röhren. Zwecks bestimmter Versuche hatte er eine Röhre mit einem
undurchsichtigen Mantel von schwarzem Kartonpapier bedeckt. Daneben
aber lag ein Papierschirm, der mit einer phosphoreszierenden Substanz
bestrichen war, d. h. einer solchen, die nach vorheriger Beleuchtung im
Dunkeln nachleuchtet. Was geschah nun? In einem ganz dunklen
Zimmer, in dem er die Versuche ausführte, leuchtete der Schirm
jedesmal ans, sobald die Elektrizität die Röhre durchströmte, selbst
wenn Schirm und Röhre, zwischen denen sonst alles dunkel blieb,
2 ni von einander entfernt waren.
Ja noch mehr. Selbst Holzbretter
von 2—3 cm Dicke zwischen Röhre
und Schirm hinderten das Auf¬
leuchten nicht, und hielt Röntgen
die Hand dazwischen, so sah er die
dunklen Schatten der Handknochen
auf dem Schirm ausgebildet, von
schwachen Umrissen der Fleischteile
umrahmt. Es mußten hier also
noch ganz unbekannte, selbst nicht
sichtbare Strahlen wirksanr sein,
die Körper durchdringen, die
das gewöhnliche Licht nicht dnrch-
lassen. Wegen ihrer noch unerklärten Natur nannte sie Röntgen
X-Strahlen. Es lag nun nahe, statt des Papierschirms eine lichtempfind¬
liche photographische Platte zu benutzen, um die Bilder festzuhalten.
Wie dies geschieht, erläutert Figur 20. Statt durch die Elektrisier¬
maschine wird jedoch zweckmäßiger in diesem Falle die Elektrizität durch
galvanische Elemente erzeugt, wie sie beispielsweise zur Herrichtung
von Haustelegraphen u. s. w. benutzt werden. Von ihnen aus (in der
Figur links) leitet man den elektrischen Strom in einen größeren, zur
Verstärkung dienenden Apparat, den Nnhmkorffschen Induktor, und
erst von hier in die Hittorf-Crookessche Röhre, die, wie aus der
Figur ersichtlich, an einem Holzstativ befestigt ist. Unterhalb der
Stelle der Röhre, die grünlich aufleuchtet, liegt die Hand in einem
Abstand von mehreren Zentimetern fest auf der geschlossenen Holz¬
kassette, die die photographische Platte einschließt. Die Wirkung
der Strahlen durch Hand und Holz hindurch auf die Platte findet
nun statt, je nach der Stärke der Elektrizität in größerer oder kürzerer
Zeit, bisweilen schon in wenigen Sekunden. Das zuerst negative,