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ein grausamer Tyrann geschildert. Er hob die Verfassung des Servius
Tullius auf, legte den reicheren Plebejern hohe Steuern auf und zwang
die ärmeren zu harten Frondiensten bei dem Bau des Jupitertempels auf
dem Kapital und der Weiterführung des weitverzweigten Netzes der unter-
irdischen Abzugskanäle. Aber auch die Patrizier mußten den Druck des
despotischen Herrschers erdulden. Im Vertrauen auf eine ihm ergebene
Leibwache, die er sich gleich den griechischen Tyrannen beilegte, herrschte er
unumschränkt und willkürlich. Ohne den Rat des Senats und die Zu¬
stimmung der Bürgerschaft einzuholen, unternahm er Krieg und Frieden,
schloß er Bündnisse und Verträge. Wer ihm unter den Senatoren und
Vornehmen abgeneigt oder verdächtig schien, wurde aus dem Wege geräumt.
Viele verloren das Leben, andere wurden verbannt, die erledigten Stellen
im Senat blieben unbesetzt. Des Königs Gewalttätigkeiten riefen unter
allen Ständen Murren und Unzufriedenheit hervor, die in offene Empörung
übergingen, als sein Sohn Sextns sich eine schnöde Gewaltthat gegen die
edle Lukretia, die Gemahlin des ihm verwandten, edlen Tarqninins
Collatinus, erlaubte. Lukretia, die ihre Schande nicht überleben mochte,
gab sich selbst den Tod und forderte sterbend ihre Verwandten zur Rache
auf, und Jünins Brutus schwur bei dem Dolche, den er aus Lukretias
Wunde gezogen hatte, dem Königtums den Untergang. Er berief eine
Volksversammlung in Rom und ließ den gerade abwesenden König und
seine Familie des Thrones verlustig erklären und aus Rom verbannen.
Zugleich wurde beschlossen, keinen König mehr zu wählen, sondern an seiner
Statt künftighin zwei Männer auf die Dauer eines Jahres unter dem
Namen Konsuln mit königlicher Gewalt auszustatten. So trat im
510 Jahre 510 in Rom die Republik an die Stelle der Monarchie und
zwar zu derselben Zeit, als in Athen die Tyrännis durch die Aristokraten
gestürzt wurde. Der herbeigeeilte Tarquinins Superbus fand die Thore
Roms verschlossen und mußte mit den Seinigen in dem Lande der Etrusker
eine Zuflucht suchen.
B. Rom als Republik. 510—30.
1. Die republikanische Verfassung und die Kämpfe der Republik
gegen Tarquinius.
Die republikanische Verfassung. Die Vertreibung des Königs und
die Verfassungsverändernng kam wesentlich den Patriziern zu statten. Der
Vorteil der Plebejer beschränkte sich nur auf die Herstellung der Volks-
Versammlungen nach Centurien, denen nunmehr alle Rechte der alten Volks-