Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.
Unter den Nnterrichtsgegenständen der Fortbildungsschule ist der Unter-
richt in der deutschen Sprache einer der wichtigsten.
Verständnisvolles Lesen, Sicherheit in der Rechtschreibung, Gewandtheit
in der Abfassung von Geschäftsaufsätzen aller Art sind Eigenschaften, die
gegenwärtig kein Gewerbetreibender ohne Nachteil entbehren kann. Ebenso
erwartet man auch von jedem Geschäftsmann, daß er mit der gewerblichen
Buchführung und den Elementen des Wechselwesens hinlänglich vertraut ist.
Die geringe Anzahl von Stunden aber, die für den deutschen Unterricht
übrig bleiben, die oft geringen Vorkenntnisse der Schüler, sowie der mitunter
unregelmäßige Schulbesuch machen diesen Unterrichtsgegenstand insbesondere
zu einem höchst schwierigen. Zu einem gedeihlichen Resultate gelangen wir
unter diesen erschwerenden Umständen nur dann, wenn die obengenannten
Zweige des deutschen Unterrichts in einem Lehr- und Lesebuch ihren ge¬
meinsamen Mittelpunkt finden. m
Ein sinngemäßes Lesen haben wir bei unsern Anforderungen im
Deutschen in den Vordergrund gestellt und das wohl auch mit Recht.
Mechanisch fertig lesen können unsere Fortbildungsschüler mit wenigen
Ausnahmen alle; das Gelesene aber auch zugleich mit dein Verstände auf¬
fassen, vermag nur ein winziger Prozentsatz. Hier ist der wunde Fleck,
hier muß vor allem die Fortbildungsschule einsetzen, wenn sie der leeren
und träumenden Leserei, die oft unsäglichen Schaden anrichtet, mit Er¬
folg entgegenwirken will; die Lesestunden müssen für die Schüler Stunden
geistiger Gymnastik sein. Durch den Leseunterricht sollen die Schüler zu
jener Reife gefördert werden, die es ihnen ermöglicht, sich durch die Lektüre
populärer Abhandlungen teils über ihr Fach, teils über Fragen, die sie
besonders interessieren, weiter zu unterrichten.
An welchem Lesestoff soll dieses Lesenlernen geübt werden, oder was soll
das Lesebuch enthalten?
In einer Zeit, wo der Realismus und der Materialismus sich in alle
Lebensverhältnisse hineingedrängt haben, und wo das Humane und Ideale in
so empfindlicher Weise vernachlässigt wird, soll ein Lesebuch für Fortbildungs¬
schulen trotz seiner realen Tendenz auch solche Aufsätze aufweisen, wodurch der
Jüngling aus seiner alltäglichen Anschauungsweise heraus und in eine Welt
gehoben wird, die einen veredelnden Einfluß auf ihn ausübt und wahrhaft
menschliche Empfindung, Anschauung und Gesinnung in ihm weckt.
Aus dem Gebiete der Naturwissenschaften unb der Kunst darf das Lesebuch
nur solche Aufsätze bringen, welche sich einerseits in wahrhaft elementarer Weise
behandeln und völlig veranschaulichen lassen, und welche sich andererseits soviel
wie möglich auf die täglich im Leben vorkommenden Erscheinungen beziehen.
Das Verlangen, der Volkswirtschafts- und Gesundheitslehre eine größere
Aufmerksamkeit und Pstege zuzuwenden, ihnen einen Raum in unsern Lehr¬
anstalten zu gestatten, steht in vollem Einklang mit der Entwickelung der