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linken Ufer sind die Pfeiler des Felsenthores. Der erstere steigt vom
Rande des Flusses jäh empor. Die Felsen an seinem Fuße mußten ge¬
sprengt werden, als man Raum für die Eisenbahn gewinnen wollte.
Seinen Namen trägt er von einem Invaliden, der sich nach dem sieben¬
jährigen Kriege aus der Höhe eine Hütte baute und aus dem südlichen
Abhange einen kleinen Weinberg anlegte, mit dessen Gewächs er einmal
seinen königlichen Kriegsherrn bewirten durste. Der gegenüberliegende
Wittekindsberg, der seinen Namen nach dem berühmten Sachsenhelden
trägt, vom Volke aber auch die Margaretenklus genannt wird, erhebt sich
erst in einiger Entfernung von der Weser; auch kann er leicht bestiegen
werden. Ein breiter Weg zieht sich durch einen prachtvollen Wald die
Höhe hinan bis zur Königskapelle, die ihren Namen einem Besuche des
Königs Friedrich Wilhelm IV. verdankt. Neben der Kapelle besindet
sich der Königsborn, eine aus dem Felsen hervorsprudelnde Quelle, deren
klares Wasser in den nahen Teich abfließt. Auf schmalen Fußpfaden
steigen wir zu dem Gipfel des Berges hinan. Vor uns steht ein neu¬
erbauter, mächtiger Wartturm. Eine Treppe führt auf das platte Dach,
auf dem nun endlich das Auge ungehindert nach allen Seiten schweifen
kann. Und was für ein Anblick bietet sich ihm dar! Nach Norden
dehnt sich zunächst das Mindener Land und dann die weite, unbegrenzte
Ebene aus. An dem Strome, der sich wie ein Silberfaden dahin¬
schlängelt und durch zahlreiche Schiffe belebt ist, liegt in geringer Ent¬
fernung vor uns, schön und freundlich, „minniglich", die Stadt Minden
mit ihrer neuerbauten Weserbrücke, den nun verlassenen Festungswerken
und ihrem Dome. Ist das Wetter klar, so kann ein scharfes Auge den
Lauf der Weser noch weit nach Norden verfolgen. Im Osten wird die
Aussicht durch die dichtbewaldeten Rehburger Berge im Fürstentum
Schaumburg-Lippe begrenzt, die manches liebliche Thal und manchen
freundlichen Ort, auch einige Heilquellen einschließen. In westlicher
Richtung folgt unser Auge den: Zuge des Wiehengebirges, das sich in
einer langen, wenig gebogenen Linie bis in die Gegend von Osnabrück
erstreckt und dort zwischen Sümpfen und Heiden verläuft. Dörfer mit
blanken Ziegeldächern und hohen Kirchtürmen erscheinen an beiden Ab¬
hängen der Gebirgskette. Bergkirchen dort auf der Höhe hat ein von
Herzog Wittekind erbautes Kirchlein; neben ihm sprudelt noch der Königs
brunnen hervor, bei dem der Sachsenführer, den die alten Sagen König
Wieking nennen, gelobt haben soll, ein Christ zu werden. Dort auf der
Babilonie bei Lübbecke aber staud sein Schloß, von dem aus er mild und
freundlich das Land umher und seine Engern beherrschte. An den nörd¬
lichen Fuß des Gebirges schließt sich eine einförmige Ebene, die schon aus der
Ferne gesehen als eine unfruchtbare und unbebaute Moorgegend erscheint.
Nach Süden und Südwesten stellt sich uns jedoch ein anderes, lieblicheres
Bild dar. Der Horizont wird nach dieser Seite hin voi: dem fernen Teuto¬
burger Walde begrenzt; das Auge schweift über die lachende Ebene von
Ravensberg mit ihren Fluren und Wäldern, mit ihren zahllosen Bauern¬
höfen, die noch jetzt zwischen grünen Eichenkämpen liegen, wie vor vielen
Jahrhunderten, die in ihrem Innern auch jetzt noch dieselbe Einrichtung
zeigen, wie in alter Zeit; die beiden Pferdeköpfe an der Giebelseite er
innern auch beute noch an das alte Sachsenwappen, das springende