1. Luthers Ingen- und klokerleben.
^ Martin Luther ist geboren zu Eisleben am 10. No¬
vember 1483 und am folgenden, dem Martinstage, getauft worden, wo¬
her er denn auch seinen Namen empfangen hat. Sein Vater, Hans
Luther, stammte aus dem Dorfe Möhra in Thüringen und war ein
frommer, aber armer Bergmann; seine Mutter Margarete war eine
geborne Ziegler. „Mein Vater," sagt Luther, „war ein armer Hauer,
und die Mutter hat ihr Holz auf dem Rücken getragen; sie haben sich's
lassen blutsauer werden." Nachher bescherte Gott dem Hans Luther ein paar
Schmelzöfen in Mansfeld, und was er nun mehr erwarb, hat er alles an
die Erziehung seines Sohnes gewandt. Er hat ihn, da er noch klein war,
auf seinen eigenen Armen in die Schule getragen, woselbst er strenge ge¬
halten ist.
Als er in sein vierzehntes Jahr ging, that ihn sein Vater auf die vor
allen berühmte Schule zu Magdeburg, schon ein Jahr darauf aber nach
Eisenach, wo seiner Mutter Freundschaft war. Hier hat er vor den
Thüren der Leute mit andern Knaben gesungen, wie schon zuvor in Magde¬
burg, um sich sein Brot zu verdienen; da aber eine fromme, wohlhabende
Frau, mit Namen Cotta, gar großes Gefallen- an der herzlichen Andacht
hatte, mit welcher der Knabe sang, so nahm sie ihn an ihren Tisch. Nach¬
dem er vier Jahre mit großem Fleiße die Schule in Eisenach besucht, haben
ihn seine Eltern 1501 nach Erfurt gebracht. Hier war zu damaliger Zeit
eine berühmte Universität, und Luther machte hier solche Fortschritte in den
Wissenschaften, daß sich alle darüber verwunderten. Sie würden sich aber
weniger darüber verwundert haben, wenn sie gewußt hätten, daß Luther all
sein Tagewerk mit Gebet anfing; denn das war ja sein Wahlspruch:
„Fleißig gebetet ist über die Hälfte studiert!" Hier in Erfurt
ließ Gott ihn auch einen großen Fund thun, der ihm mehr war, als alle
Schätze der Welt; — es war die Bibel, die er sein Lebtag noch nicht
gesehen hatte. Er fand sie in der großen Büchersammlung der Universität und
las nun so begierig und fleißig darin, daß er bald ein rechter Schriftgelehrter
ward. Seine Eltern wollten aber lieber, daß er ein Rechtsgelehrter werde.
Er gerät nun darüber in einen großen Kampf, und zu derselben Zeit findet
er seinen Freund Alexius, als er ihn eines Morgens besuchen will, tot
im Bette, von bösen Buben ermordet; und als er hinaus eilt ins Freie,
kommt plötzlich ein heftiger Donnerschlag, der ihn betäubt und zu Boden wirft.
Da denkt er an nichts, als an den Tod und das zukünftige Gericht, will um
alles seine Seele retten, und weil er meint, sie sei nirgends besser aufge¬
hoben, als im Kloster, so eilt er dahin und wird ein Augustinermönch.
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