212 
Der Vater sah es an und sprach: So recht mein Kind! Dem 
Regen und Tan muß der Sonnenschein folgen. Der Strahl des 
freundlichen Auges giebt der Wohlthat, welche die Hand reicht, 
ihren Wert. — Dein Pflänzchen wird wohl gedeihen, Sophie! 
Nun kamen die Blätter aus dem Schoß der Erde ganz hervor, 
und glänzten mit lieblichem Grün. Da ward Sophiens Freude 
noch großer. O, sagte sie aus überströmendem Herzen, ich will 
auch wohl zufrieden sein, wenn keine Blüte kommt. Genügsame 
Seele! — sprach der Vater. Dir wird mehr gegeben werden, 
als du zu hoffen wagst. — Er zeigte ihr den Keim der Blume, 
der zwischen den Blättern verborgen lag. 
Sophiens Sorgfalt und Liebe wuchs mit jedem Tage, so wie 
die Blume sich allmählich entfaltete. Mit zarten Händen sprengte 
sie Wasser darauf, und fragte, ob es genug, oder zu viel, und 
ob es wohl zu kalt sein möchte. — Und wenn ein Sonnenblick 
durch die Fenster kani, dann trug sie leise wandelnd die Pflanze 
hinüber in den Sonnenschein, und ihr Odem hauchte den Staub 
von den Blättern, so wie ein Morgenlüstchen die Rose umhaucht. 
Mit dem Gedanken an ihre Blume schlief Sophie am Abend ein 
und erwachte mit ihm des Morgens. Mehrmals erblickte sie auch 
im Traume ihre Hyacinthe in voller Blüte, und wenn sie dann 
am Morgen noch nicht blühete und Sophie sich getäuscht sah, war 
sie deshalb unbekümmert und sprach lächelnd: Es kann ja noch werden! 
Zuweilen auch fragte sie den Vater, in welche Farbe wohl die 
Blume sieb kleiden würde, und wenn sie alle Farben durchgangen 
war, sprach sie mit fröhlicher Stimme: Es ist mir einerlei, wenn 
sie blühet! Endlich blühete die Blume. Zwölf Glocken hatten sich in 
der Frühe des Morgens geöffnet. Zwischen fünf breiten smaragd¬ 
grünen Blättern hingen sie hernieder in voller jugendlicher Schönheit. 
Ihre Farbe war rötlich, gleich dein Widerschein der Morgen¬ 
röte oder dem zarten Dust auf Sophiens Wangen. Ein balsa¬ 
mischer Wohlgeruch umschwebte die Blume. Es war ein heiterer 
Märzmorgen. Sophie konnte die Herrlichkeit nicht fassen. Ihre 
Freude war still und ohne Worte. Sie lag vor der Blume auf 
den Knieen und schauete sie an. — Da trat der Vater herzu und 
sah sein geliebtes Kind und die blühende Hyacinthe an und ward 
gerührt und sprach: Siehe, was dir deine Hyacinthe ist, das bist 
du uns, Sophie! 
Da sprang das Mädchen auf und umarmte den Vater, und 
nach langer Umarmung sprach sie mit leiser Stimme: O, mein 
Vater, könnte auch ich euch so erfreuen, wie sie mich erfreut hat! 
4. Oob der Aster. 
Lieb ist mir gar manche Blume, die in meinem Garten steht; 
doch am liebsten mag ich weilen vor dem bunten Asterbeet.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.