17 
die geliebte Schwester darnieder lag. hatte er sie nicht ver¬ 
lassen wollen. Jetzt düucht' es ihm. als sei der Frühling 
nie so schön gewesen, denn er sah und empfand ihn mit einem 
frommen und liebevollen Herzen. 
§. 3. Der fröhliche Knabe lief bergauf, bergab. Wohin 
er seine Schritte lenkte, da sangen Nachtigallen, flatterten 
Sommervögel; und wo ein Hügel sich erhob, da blühten lieb¬ 
liche Blumen. Er aber ging und sang und hüpfte von einer 
Blume zur andern. Seine Seele war heiter, wie es über 
ihm der Himmel war. und sein Auge glänzte, wie das Börn- 
lein glänzt, was aus Felsen quillt. 
§. 4. Endlich war sein Körbchen voll der schönsten 
Blumen, und oben darüber lag ein Kranz von Felderdbeeren, 
wie Perlen an einem Grashalm gereiht. Lächelnd blickte der 
glückliche Knabe in sein volles Körbchen, lagerte sich da. wo 
weiches Moos den schattigen Hügel bedeckte, und horchte dem 
Wechselgesange der Nachtigallen. 
Aber er hatte sich müde gefreut; selbst der Jubel des 
Feldes und das Lied der Nachtigallen schläferten ihn ein. 
§. 5. Ruhig schlummerte der holde Knabe. Siehe, da 
erhob sich am Himmel ein Gewitter. Dunkel und schweigend 
zog das Gewölk herauf; Blitze leuchteten, und die Stimme 
des Donners tönte immer näher und lauter. Als jetzt plötz¬ 
lich der Wind in den Ästen der Eiche brauste, da erschrak 
der Knabe und erwachte. — Ringsum sah er den Himmel 
von drohenden Wolken verhüllt; kein Sonnenstrahl erleuch¬ 
tete das Feld. Dem Erwachen folgte, ehe er recht seiner 
selbst bewußt war, ein heftiger Donnerschlag. Der arme 
Knabe stand betäubt von diesem Wechsel der Dinge. 
§. 6. Schon rauschten dicke Regentropfen durch das Laub 
der Eichen. Da raffte der erschrockene Erich sein Körbchen 
auf und entfloh. Das Gewitter war über seinem Haupte. 
Regen und Sturm nahmen überhand; der Donner rollte 
schrecklicher; das Wasser strömte aus seinen Locken und von 
seinen Schultern. Kaum vermochte er seines Weges zu wan¬ 
dern. Plötzlich faßte ein heftiger Windstoß das Körbchen in 
der Hand des Knaben und zerstreute alle seine sorgsam ge¬ 
sammelten Blumen über das Feld hin. 
§. 7. Da entstellte sich seine Geberde, und mit zürnendem 
Unmuthe schleuderte er nun auch das leere Körbchen zu 
seinen Füßen auf den Boden. Laut weinend und durchnäßt 
K a h!s Lesebuch. 2
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.